Duisburg. . Zwei kleine Sender statt dutzender Polizisten. In Duisburg und Rostock sind seit Anfang April elektronische Fußfesseln im Einsatz, um entlassene Straftäter zu überwachen. Ein Pilotprojekt, das Schule machen könnte.
Bei jedem Gang in den Keller geht ein stiller Alarm los. Wenn Ricardo K. durch einen Tunnel fährt, blinkt es auf einem Monitor im hessischen Zentrum für Datenverarbeitung in Wiesbaden. Von dort aus wird der entlassene Straftäter, der in Duisburg lebt, rund um die Uhr überwacht. Ricardo K. trägt eine Fußfessel. Als erster ehemals sicherungsverwahrter Häftling in Nordrhein-Westfalen. Ein Modellversuch, wie ein Sprecher des NRW-Justizministeriums bestätigt. Sollte diese Art der Überwachung erfolgreich sein, könnte das System bald Schule machen.
Ricardo K. saß wegen notorischen Diebstahls und mehrerer Vergewaltigungen in Sicherungsverwahrung. Doch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte erklärte nachträgliche Sicherungsverwahrung im vergangenen Jahr für rechtswidrig. Ricardo K kam frei und wurde rund um die Uhr von bis zu 18 Polizisten überwacht. Nachdem er zu Unrecht beschuldigt wurde, ein Kind vergewaltigt zu haben, entließ das Landgericht Duisburg K. im März mit neuen Auflagen in die Freiheit. Zumindest eine Art von Freiheit. Mit der Auflage: 24 Stunden Überwachung mit einer elektronischen Fußfessel, die jederzeit den Aufenthaltsort über ein GPS-Signal sendet. So wie es beispielsweise auch ein eingeschaltetes Handy tut.
Ricardo K. trägt nun eine solche Fußfessel. Und das Hessische Zentrum für Datenverarbeitung (HZD) die Verantwortung. Von dort kommen die die Geräte, die ein israelisches Unternehmen herstellt. NRW hat wegen der Gerichtsauflagen eine Fessel beantragt – und bekommen. Als deutschlandweit zweites Bundesland. Bereits seit März wird ein entlassener Straftäter in Rostock auf die neue Weise überwacht. Eine Bilanz von dort gibt es noch nicht.
In Wiesbaden laufen die Fäden zentral zusammen, weil dort die organisatorischen und technischen Möglichkeiten gegeben sind. Bereits seit dem Jahr 2000 werden in Hessen Straftäter mit einer Fußfessel überwacht, die beispielsweise gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben und daher in Haft müssten. Per Fußfessel wird dann per Funk überprüft, ob sich der Verurteilte unerlaubt aus der Wohnung entfernt – und dann per SMS der Bewährungshelfer informiert.
Ähnlich funktioniert auch die GPS-Überwachung von Ricardo K.. Auf einer Stadtkarte wurden Gebots- und Verbotszonen – beispielsweise Schulhöfe – eingerichtet. Betritt K. nun eine dieser Zonen, geht in Wiesbaden ein Alarm los. Auch dann, wenn er versucht, sich der Fessel zu entledigen, die Batterie schwach wird oder der Empfang gestört ist, beispielsweise bei Autofahrten durch den Tunnel oder einem Gang in den Keller. Von Wiesbaden aus werden dann die nächsten Schritte kontrolliert. Ist das Signal Sekunden später wieder da, war es wahrscheinlich ein Fehlalarm. Befindet sich der Überwachte jedoch in einer Verbotszone, rücken Beamte in Duisburg aus und überprüfen die Lage.
Echtzeitüberwachung findet jedoch nicht statt. Erst bei Alarmen wird der Standort von Ricardo K. übermittelt. Deshalb ändert die neue Technik für die Duisburger Polizei nichts. Weil noch nicht klar ist, wie die Fußfessel funktioniert und K. sich weiterhin nicht Schulen, Spielplätzen und Kindergärten nähren darf, bleibt sie dem Überwachten weiterhin auf den Fersen. Auch bei Fahrten durch den Tunnel.