New York. . Der UN-Sicherheitsrat hat die Flugverbotszone über Libyen beschlossen. Schon in wenigen Stunden sollen die ersten Angriffe auf die Truppen Gaddafis erfolgen, planen die Franzosen. Auch Großbritannien rüstet sich. Deutschland hält sich raus.

Wenige Stunden nach dem Votum des UN-Sicherheitsrats zu einem militärischen Eingreifen in Libyen hat die Regierung in Tripolis die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen erklärt. Sein Land habe entschieden, "sofort eine Waffenruhe umzusetzen", sagte Außenminister Mussa Kussa am Freitag bei einer Pressekonferenz in der libyschen Hauptstadt. Als Vollmitglied der Vereinten Nationen müsse sein Land "gezwungenermaßen" die Resolution des Sicherheitsrats akzeptieren.

Die Europäische Union will den Waffenstillstand nach den Worten der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton prüfen. Die EU kenne die Ankündigung der Regierung in Tripolis und werde nun "die Einzelheiten" der Ankündigung untersuchen, sagte Ashton am Freitag in Brüssel. Die Frage sei, welche Bedeutung diese Aussage habe. Spaniens Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero sagte, "die internationale Gemeinschaft wird sich nicht von dem libyschen Regime täuschen lassen".

In der Nacht hatte der UN-Sicherheitsrat einen militärischen Einsatz gegen die Truppen des libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi gebilligt und eine Resolution verabschiedet, welche die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen und deren Durchsetzung "mit allen erforderlichen Mitteln" erlaubt.

Daraufhin sollten die ersten militärischen Angriffe gegen die Truppen des Machthabers Muammar el Gaddafi nach französischen Angaben "in einigen Stunden erfolgen". Frankreich werde sich daran beteiligen, sagte Regierungssprecher François Baroin am Freitag dem Sender RTL. Wann, wo und in welcher Form die Angriffe stattfinden würden, wolle er im Moment nicht mitteilen. Auch Norwegens Verteidigungsministerin Grete Faremo kündigte eine Beteiligung ihres Landes an der Militärintervention an.

Auch Großbritannien will sich an der Durchsetzung der Flugverbotszone beteiligen und mobilisiert dafür Kampfflugzeuge vom Typ Tornado und Eurofighter. Das gab der britische Premierminister David Cameron am Freitag in London bekannt.

Gaddafi droht Angreifern mit der Hölle

Die Nato nahm unterdessen abschließende Vorbereitungen für einen Militäreinsatz gegen Gaddafi auf. Das gab Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag nach einem Treffen der Bündnisbotschafter in Brüssel bekannt. Die UN-Resolution vom Donnerstagabend sende eine starke und klare Botschaft an Gaddafi, die "brutale und systematische Gewalt gegen die Bevölkerung" sofort einzustellen, erklärte Rasmussen. Die NATO schließe ihre Vorbereitungen für einen Einsatz ab, um für "notwendige Maßnahmen bereit zu sein". Mit einem Beschluss zu einem Militäreinsatz wurde in Diplomatenkreisen frühestens am Sonntag gerechnet.

Gaddafi drohte in einer Fernsehansprache allen, die Libyen angreifen sollten, mit der "Hölle". Deutschland hatte sich bei der Entscheidung im UN-Sicherheitsrat über die Einrichtung einer Flugverbotszone enthalten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verteidigte diese Position am Freitag: Deutschland sei nach einem "schwierigen Abwägungsprozess" zu dem Schluss gekommen, "dass wir uns mit deutschen Soldaten an einem Krieg, an einem militärischen Einsatz in Libyen nicht beteiligen werden", sagte Westerwelle in Berlin. Die Bundesregierung erwägt stattdessen eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes, um im Gegenzug einen deutschen Militäreinsatz in Libyen zu vermeiden.

Ein Sohn Gaddafis sagte, seiner Familie machten die angekündigten Luftangriffe "keine Angst". Die Bombardierung Libyens, die Tötung von Libyern helfe den Menschen nicht, sagte Seif el Islam Gaddafi der Sendung ABC News Nightline aus der libyschen Hauptstadt Tripolis. Libyen hat am Freitag nach Angaben der europäischen Flugkontrolle seinen Luftraum komplett für alle Flüge geschlossen.

"Ernsthafte Vorbehalte" aus China

China bekundete unterdessen "ernsthafte Vorbehalte" gegenüber der Libyen-Resolution, bei deren Verabschiedung sich die Volksrepublik der Stimme enthalten hatte. Außenamtssprecherin Jiang Yu sagte: "Wir lehnen die Anwendung militärischer Gewalt in internationalen Beziehungen ab." Einigen Aspekten der Resolution stehe China äußerst skeptisch gegenüber.

Der UN-Sicherheitsrat hatte mit der Einrichtung einer Flugverbotszone de facto ein militärisches Eingreifen in dem nordafrikanischen Land genehmigt, mit dem die gegen Oppositionelle vorgehenden Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi gestoppt werden sollen. Die Resolution erlaubt die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Demnach sollen keine Flugzeuge im libyschen Luftraum erlaubt sein, es sei denn, sie verfolgen ein „humanitäres“ Ziel. Die Resolution erlaubt den UN-Mitgliedstaaten, „alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“, um die Einhaltung des Flugverbots durchzusetzen.

Libyen bezeichnet Resolution als Bedrohung der Einheit

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
1/16

Die libysche Führung bezeichnete die Resolution als Bedrohung der Einheit des Landes. Die Resolution bedrohe die Einheit und sei „ein Aufruf an die Libyer, sich gegenseitig zu töten“, sagte der libysche Vize-Außenminister Chaled Kaim der Nachrichtenagentur AFP. Kaim sprach von einem „Komplott“ der internationalen Gemeinschaft gegen sein Land. Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die USA hätten „den Willen“, Libyen zu spalten. Die libysche Führung erklärte sich grundsätzlich zu einem Waffenstillstand mit den Rebellen bereit. Kaim sagte auf einer Pressekonferenz in Tripolis, zunächst müsse aber über die Details einer solchen Vereinbarung diskutiert werden. Kaim fügte hinzu, dass sein Land „positiv“ auf die Resolution des UN-Sicherheitsrates reagieren werde und Zivilisten schütze wolle.

Die Bundesregierung hat sich die Entscheidung über die Libyen-Resolution nach den Worten von Außenminister Guido Westerwelle nicht leicht gemacht. Es sei eine schwierige Abwägung gewesen, sagte Westerwelle am Freitag in Berlin. Deutschland unterstütze ausdrücklich weite Teile der Resolution des UN-Sicherheitsrats, etwa die Verschärfung der Sanktionen gegen die Regierung von Staatschef Muammar Gaddafi. Nach Abwägung der Risiken auch für die Region würden sich aber deutsche Soldaten nicht an einem militärischen Eingreifen in Libyen beteiligen. Daher habe sich Deutschland enthalten. Die SPD warf Westerwelle Mutlosigkeit vor. Dies enttäusche die für Demokratie kämpfenden Menschen in Nordafrika. Die Linke hielt wiederum der SPD Kriegstreiberei vor.

Ehrenwerte Motive

Den Staaten, die für die Resolution und ein militärisches Eingreifen stimmten, bescheinigte Westerwelle ehrenwerte Motive. Auf Fragen, ob Deutschland sich mit seiner Enthaltung isoliert habe und ob es nicht hätte für die Resolution stimmen können, ohne Soldaten nach Libyen zu schicken, wich der Minister aus.

Der US-Nachrichtensender CNN berichtete unterdessen, Gaddafi habe sein Vorgehen gegenüber den Aufständischen in der Rebellenhochburg Bengasi im Osten Libyens geändert. Ein CNN-Korrespondent in Tripolis sagte, er habe mit Gaddafis Sohn Seif el Islam telefoniert. Dieser habe gesagt, Gaddafis Armee werde nicht mehr nach Bengasi hineingehen, sondern sich auf die Rebellenstellungen außerhalb der Stadt konzentrieren. Der Grund sei, dass die libysche Führung eine massive Fluchtbewegung befürchte, weil die Menschen aus Angst aus der Stadt fliehen würden. „Er sagte, die Armee wird dort sein, um ihnen helfen, herauszukommen.“

Kampfjets, Bomber und Aufklärungsflugzeuge könnten eingesetzt werden

Um die libysche Luftwaffe auf den Boden zu zwingen, könnten Kampfjets, Bomber und Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in Tunesien, bei der Durchsetzung der Flugverbotszone müssten bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, um Flugzeuge und Piloten zu schützen. "Das schließt die Bombardierung von Zielen wie der libyschen Flugabwehr ein", sagte Clinton.

An den militärischen Maßnahmen zur Sperrung des Luftraums könnten sich Jordanien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligen, sagte eine Gewährsperson in den USA. Das zeige die Unterstützung der Resolution durch Staaten aus der Region.

Gaddafis Truppen hatten in den vergangenen Tagen erhebliche Geländegewinne erzielt. Wenige Stunden vor der Abstimmung im Sicherheitsrat hatte sich Gaddafi entschlossen gezeigt, die Rebellenhochburg Bengasi und die übrigen Gebiete in der Hand der Aufständischen in Kürze zurückzuerobern. "Er nutzt dafür seine große militärische Übermacht", sagte der Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, William Burns.

Die Einzelheiten des militärischen Eingreifens waren zunächst unklar. Der Stabschef der US-Luftwaffe, General Norton Schwartz, erklärte jedoch vor dem Kongress, die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen könnte rund eine Woche dauern. "Wir würden zweifelsohne sowohl Einheiten aus Europa als auch aus den USA benötigen", sagte Schwartz. "Für mich ist es keine Frage, ob wir es tun können, sondern ob wir sollten und - wenn ja - wie."

In Bengasi feiern die Menschen das Votum

Frankreich hatte vor der Abstimmung angekündigt, die Resolution nach dem Votum umgehend umzusetzen zu wollen. Dies schließe auch Luftangriffe mit ein, hatte Außenminister Alain Juppé gesagt. Nach Angaben eines UN-Diplomaten haben Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate sich bereit erklärt, sich an einem Militäreinsatz gegen Gaddafi zu beteiligen. In der libyschen Rebellenhochburg Bengasi wurden nach dem Votum in New York Freudenschusse in die Luft gefeuert. Dort hatten sich um Mitternacht in der Nacht zum Freitag drei schwere Explosionen ereignet, auf die Schüsse von Flugabwehrstellungen folgten. Gaddafi hatte am Donnerstagabend einen Angriff auf Bengasi angekündigt. (afp/rtr)