Tripolis. . Libyens Staatschef Gaddafi warnt das Ausland vor einer Militärintervention. Es werde „tausende Todesopfer“ geben, sollte Libyen angegriffen werden. Der Internationale Strafgerichtshof ermittelt wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi hat mit „tausenden Todesopfern“ gedroht, sollte das Ausland militärisch in seinem Land eingreifen. „Tausende Libyer werden sterben, wenn Amerika oder die NATO intervenieren“, sagte er am Mittwoch in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede bei einer Zeremonie in Tripolis. „Wir werden bis zum letzten Mann und bis zur letzten Frau kämpfen.“ Das Einfrieren seines Vermögens im Ausland bezeichnete er als „Diebstahl“. Er verwies ferner darauf, dass die Ölproduktion Libyens wegen des Abzugs der Mitarbeiter der ausländischen Ölkonzerne „das tiefste“ Niveau erreicht habe.

Gaddafi rief die UNO auf, eine Untersuchungskommission zu schicken, um die Umstände aufzuklären, „unter denen Zivilisten und Polizisten gestorben sind“. Gaddafi machte abermals das Terrornetzwerk El Kaida für die Revolte in seinem Land verantwortlich und bestritt dann, dass es überhaupt Demonstrationen gebe. Der Volksaufstand gegen den seit vier Jahrzehnten herrschenden Gaddafi in allen Landesteilen dauert seit mehr als zwei Wochen an. Die Demonstranten fordern Gaddafis Rücktritt, der sich jedoch weiter an die Macht klammert.

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
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In Libyen ist laut Gaddafi kein Platz für einen Präsidenten

Gaddafi bekräftigte, in Libyen habe nicht er selbst, sondern in Wahrheit das Volk die Macht. „Bereits seit 1977 übt das Volk die Macht aus“, sagte er bei der Zeremonie zum Gedenken an die von ihm selbst ausgerufene „Herrschaft der Massen“ vor 34 Jahren. „Die Welt muss diese Wahrheit verstehen: Es ist kein Platz für einen Präsidenten, einen König oder einen Anführer in unserem System“, fügte er hinzu. Gaddafi hatte sich im September 1969 unblutig an die Macht geputscht und 1977 die „Herrschaft der Massen“ ausgerufen. Der Staat soll sich demnach selbst regieren, weshalb sich Gaddafi auch nie Staatschef nennen ließ.

Der Westen ist sich nach US-Angaben uneins über ein mögliches militärisches Vorgehen. Unter den NATO-Staaten gebe es keine Einigkeit über den Einsatz von Militärgewalt, sagte US-Verteidigungsminister Robert Gates am Dienstag. Die Debatte über die Einrichtung einer Flugverbotszone hielt an, während die UNO Libyen aus ihrem Menschenrechtsrat ausschloss.

EU rätselt, wie die Gewalt gestoppt werden kann

Die EU hat den libyschen Staatschef am Mittwoch endgültig fallen gelassen. „Gaddafi ist Teil des Problems, und nicht der Lösung“, sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso in Brüssel. „Es ist an der Zeit für ihn zu gehen und das Land dem libyschen Volk zurückzugeben, damit demokratische Kräfte den künftigen Weg bestimmen können.“

Auf die Frage nach Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen sagte Barroso, das werde zwischen der EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton und den Mitgliedsstaaten besprochen. „Wir müssen sicherstellen, dass das Regime nicht länger gegen seine eigene Bevölkerung vorgeht“, sagte Barroso.

Zehn Millionen Euro Soforthilfe

Zur Unterstützung der mindestens 140.000 Flüchtlinge, die Libyen Richtung Tunesien und Ägypten verlassen, stockte die EU ihre Soforthilfe am Mittwoch von drei Millionen auf zehn Millionen Euro auf. Mit Blick auf die Flüchtlingsbewegungen von Nordafrika nach Italien sagte Barroso: „Es gibt eine Operation der EU-Grenzschutzagentur Frontex, um mit derzeitigen und künftigen Einwandererströmen umzugehen. Sie kann auch anderen Ländern helfen, wenn Bedarf besteht.“ Die Kommission könne auch Gelder aus den einschlägigen Fonds bereitstellen. Laut Medienberichten waren in der Nacht zum Mittwoch wieder mehrere Hundert Bootsflüchtlinge aus Tunesien auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet.

Die EU wolle außerdem mehr für die Demokratiebewegungen in Nordafrika tun, so Barroso. Unter anderem wolle sie „eine strengere Konditionalität anwenden, um die zu belohnen, die sich um demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit bemühen“. Eindringlich forderte Barroso den Rückzug des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi: „Es ist Zeit, dass er geht und das Land dem libyschen Volk zurückgibt.“