Berlin. . Nach dem tödlichen Anschlag auf einen Bundeswehr-Außenposten in Afghanistan befinden sich noch zwei deutsche Soldaten in einem kritischen Zustand. Die Stimmung unter den Bundeswehrangehörigen ist seither am Boden.
Nach dem tödlichen Anschlag auf einen Bundeswehr-Außenposten in Afghanistan befinden sich noch zwei deutsche Soldaten in einem kritischen Zustand. Die beiden Schwerverletzten sollten am Wochenende mit einem Spezialflugzeug nach Deutschland geflogen werden, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos des Bundeswehr am Samstag in Potsdam. Die Maschine werden voraussichtlich am Sonntag am Flughafen Köln-Bonn landen. Mit den beiden Schwerverletzten würden auch die vier leicht verwundeten Soldaten zurückkehren.
Bei dem Anschlag auf den Bundeswehr-Außenposten im Norden Afghanistans waren am Freitag drei deutsche Soldaten getötet worden. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte hatte aus kurzer Distanz überraschend das Feuer auf eine Gruppe deutscher Soldaten eröffnet, die mit Instandsetzungsarbeiten an dem Posten „OP North“ beschäftigt waren. Sechs weitere Soldaten wurden bei dem Angriff verwundet, zwei von ihnen schwer.
Am Freitagabend wurde zudem eine deutsche Patrouille nahe Kundus mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten beschossen. Vier Soldaten seien verletzt worden, es bestehe aber keine Lebensgefahr, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam. Die vier Soldaten sollten ebenfalls am Wochenende nach Deutschland geflogen werden.
Die Stimmung ist schlecht
Die Stimmung unter den Bundeswehrangehörigen in Nordafghanistan ist seit dem Anschlag am Boden. Nicht wenige sehen sich inzwischen „auf einem verlorenem Posten“.
Während Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ungeachtet der neuen Bedrohungsqualität an dem sogenannten Partnering-Konzept festhalten will, sehen die Soldaten das gemeinsame leben und kämpfen immer kritischer. Ausbilder und Mentoren in den Ausbildungs- und Schutzbataillonen berichten vor teilweise gravierenden Disziplinproblemen bei den afghanischen Soldaten und Polizisten. „Sie können das nicht mit westlichen Soldaten vergleichen“, sagt ein deutscher Ausbilder, „vor allem die Mannschaften haben keine wirkliche Bindung zur Armee als Organisation.“
Die Motivations- und Ausbildungsmängel der Afghanen und die zu kurze Trainingszeit schlagen sich auch in den gemeinsamen Operationen nieder. In mehreren Einsatzvideos, die die Bundeswehr veröffentlicht hat, ist zu sehen, wie unvorhersehbare Schritte der Afghanischen Armee die Operationspläne gefährden. Dabei gehe es auch immer wieder um schlecht geplante Angriffe und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht.
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Das Misstrauen nimmt zu
Hinzu kommt ein immer stärkeres Misstrauen zwischen der Schutztruppe und den Afghanen. „Keiner von uns wendet einem von denen den Rücken zu. Sprengmittel bleiben nur bei meinen Männern, schließlich will ich hier alle wieder gesund raus bringen“, sagte ein Pionieroffizier kurz vor dem tödlichen Zwischenfall im OP North. Er verwies auf ähnliche Zwischenfälle bei anderen ISAF-Nationen. Auch wenn die Motive unklar sind, so gilt das Konzept, die Truppen stärker in die Fläche zu verteilen und in quasi dörflichen Gemeinschaften mit den Afghanen zu stationieren, als weitestgehend gescheitert.
Gerade die kleinen Kontingente in Zugstärke haben sich als verwundbares Ziel erwiesen. Andererseits ist die Versorgung dieser Kleinsteinheiten umständlich und kostenintensiv. Fraglich bleibt auch, ob die für den 21. März von Präsident Hamid Karsai angekündigte Sicherheitsstrategie eine Wende bringen kann. Dass Afghanistan 2014 als stabiles Land verlassen werden kann, glaubt indes kaum noch einer der Soldaten vor Ort.
Das Land entgleitet der Schutztruppe
Was die Truppe besonders frustriert, ist die indifferente Haltung der Bevölkerung gegenüber der internationalen Schutztruppe ISAF. „Für die Afghanen sind wir heute schon Vergangenheit“, sagt ein Major, der beim deutschen Regionalkommando Nord zuständig ist für die Befindlichkeit der afghanischen Bevölkerung. „Die meisten unserer Ansprechpartner positionieren sich jetzt bereits – bewusst oder unterbewusst – für die Zeit nach der ISAF-Präsenz“, analysiert der Stabsoffizier. Die deutschen Soldaten machten zwar vor allem in den Regionalen Wiederaufbauteams einen guten Job, dennoch sei es offensichtlich, dass das Land der ISAF langsam entgleite.
Gleiches wird auch immer mehr von den Langstreckenpatrouillen gemeldet, die über mehrere Tage in die Region geschickt werden, um Erkundungen einzuziehen und Kontakt mit der örtlichen Bevölkerung zu halten. „Ich habe den Eindruck, dass die uns nur noch als Besuch wahrnehmen. Besonders in den Dörfern, die selten ISAF-Soldaten sehen, kommt es zu keinen ernsthaften Gesprächen mehr“, beklagt ein Fallschirmjäger. So seien die sogenannten Gesprächsprotokolle in seiner Einsatzzeit immer kürzer geworden. In mehreren Fällen sei die Patrouille gar nicht erst bis zum Dorfältesten vorgedrungen.
Als ein weiteres Anzeichen für die Entfremdung ist die rückläufige Beliebtheit der ISAF-Medien in der afghanischen Bevölkerung. Die kostenlos mit mehreren Zehntausend Exemplaren verteilte Wochenzeitung „ISAF-News“ werde zwar noch immer nachgefragt, inzwischen aber „vor allem zum Verpacken von Fleisch und als kostenloses Papier“ geschätzt, erklärte ein in Kabul eingesetzter Medienoffizier. Auch das von der Bundeswehr ausgestrahlte Radio „Sada-e Azadi“ habe deutlich an Hörerzuspruch verloren. Einzig die Popularität des deutschen Soldatensenders „Radio Andernach“ sei wegen der westlichen Popmusik ungebrochen. (rtr/dapd)