Malediven. . Kein Streit, kein Lästern und keine schiefen Blicke – wenn sie die Kandidaten so gut verstehen, ist das der sichere Tod für jede Castingshow-Episode. Die Macher von DSDS mussten daher den letzten Recall auf den Malediven mit Tricks aufpeppen.
Seit dem Tag, als die Institution Jury einen festen Platz auf den abendlichen Sendeplätzen bekommen hat, gilt ein und dasselbe Prinzip: Favoriten werden nicht geboren, sondern gemacht. Natürlich muss man dem Zuschauer die Illusion lassen, dass er oder sie letztendlich den Sieger erwählen. Das erhöht nicht nur die Einschaltquoten, sondern lässt die Kasse auch durch die zahllosen Anrufe bei der kostenpflichtigen Telefonnummer klingeln. Jetzt ist es wieder soweit: Der letzte Recall ist vorüber, in den kommenden Mottoshows hat der Zuschauer wieder die Macht. Was die Fans aber nicht bemerken: Die Kandidaten haben ihre Rollen längst verpasst bekommen. Und nur die Teilnehmer mit einer Rolle kommen auch in die Mottoshows.
Vorhang auf für das letzte Strandkonzert bei DSDS. Der Erzähler: Marco Schreyl. In dieser Staffel hat er sich bisher eher zurückgehalten mit seiner Präsenz, sehr zur Freude der Zuschauer. Zu Beginn der Sendung sagt er noch ein paar schwerwiegende Worte in die Kamera, danach hört man seine Stimme nur noch aus dem Off. Allzu genau hinhören sollte man aber nicht, wenn er wie in jeder Folge zuvor beschwört: „Noch nie war der Druck auf die Kandidaten so groß!“
Die ersten Kandidaten sind immer die besten
Erster Aufzug: Die Jury nimmt ihren Platz ein. Das war es dann auch erstmal mit der Aktivität. Fernanda Brandao setzt ihr Dauergrinsen auf, Dieter Bohlen wirft die Stirn in Falten und Patrick Nuo spitzt die Lippen. Standbild.
Die Helden betreten die Arena. Merke: Die ersten Kandidaten des RTL-Formats sind immer die besten. Systematisch wird in diesem letzten Recall in den Vordergrund gerückt, wer zuvor nicht genug Beachtung bekommen hat. Zum Beispiel der 19-jährige Ardian. Er singt den König-der-Löwen-Klassiker „Der Ewige Kreis“. Warum er diesen Titel gewählt habe, will der Oberste Richter Bohlen wissen. Bei der Flucht seiner Familie aus dem Kosovo habe er nur diese eine Kassette dabei gehabt, antwortet er, „Die habe ich rauf und runter gehört.“ Und schon ist Ardian nicht mehr ganz so glatt, weniger konturlos, hinter der schönen Stimme steckt ein Schicksal. Vor den Fernsehgeräten schmelzen die Mädels dahin. Der erste Liveshow-Teilnehmer ist geboren.
Harmonische Truppe
Zweiter Akt: Der Konflikt spitzt sich zu. Da die diesjährigen DSDS-Kandidaten eine durch und durch harmonische Truppe sind, mangelt es der Show vor allem an einem: Action. Darum kommt der Regisseur, falls es denn so einen gibt, sofort zur nächsten spannungsträchtigen Phase, und zwar zur Entscheidung. Logischerweise zieht die sich dieses Mal ganz schön in die Länge, denn von 28 noch anwesenden Kandidaten können nur 15 in die nächste Runde kommen. Nach Adam Riese heißt das: 13 müssen gehen. Für die Jury bedeutet das: Rausschmeißen im Akkord. Für die Macher der Sendung steht also fest: Jede Heulattacke und jeder Freudenluftsprung bekommt nur ein paar Sekunden Sendezeit.
Ungeliebte Stars
Und jetzt kommt die dramaturgische Trickkiste ins Spiel. „Wir sehen nicht einen Grund, warum wir dich mitnehmen sollten“, verkündet Bohlen dem unsicheren Marvin mit bierernster Miene. Schock bei Marvin, Schock bei den Zuschauern! Wenn einer singen kann, dann doch wohl der Marvin! Der aber dreht sich um, lässt die Schultern hängen und will schon abziehen, da lenkt der Papa Bohlen noch mal ein: „Wir sehen sogar tausende!“ Applaus, was für ein Wortspiel. Das hat sich Dieter Bohlen wohl bei Heidi Klum abgeguckt, die ihre Modelküken auch regelmäßig mit derartig verdrehten rhetorischen Absagen kommt.
„Ich bin fast schon eine perfekte Sängerin“
Und dann, ja dann nähert sich die Sendung unweigerlich ihrem Höhepunkt. Sarah Engels stolziert ins Bild: „Die sollen nicht nur merken, dass ich eine fast schon perfekte Sängerin bin und gut aussehe, sondern auch, dass ich es wirklich will“ spricht’ s und wackelt weiter Richtung Jurypult. Bohlen legt vor: Er glaube nicht, dass sie sich in den Mottoshows durchsetzen könne. Dramatische Musik, Close-up auf Sarahs Gesicht, sie kneift die Augen zusammen, öffnet den Mund und fragt doch tatsächlich: „Warum nicht?“ Da stutzt der Poptitan, stammelt ein wenig rum und gibt sich dann geschlagen: „Wir sind sicher, dass du dich dort durchsetzen kannst.“ Der Satzverdreher ging dann wohl nach hinten los.
Letzter Akt: Die Dämmerung legt sich über die Trauminsel, als die Auserwählten vor ihrem Schöpfer stehen. Dankbar sind sie ihm, für seine Geduld, seine Güte, dass sie sich in seinem Glanz suhlen dürfen. Und dann spricht er die magischen Worte: „Einer von euch ist der neue Superstar 2011!“ Der Vorhang fällt.