Lampedusa . Tausende Tunesier flüchten über das Meer nach Europa. In den vergangenen Tagen erreichten 5000 tunesische Flüchtlinge die Insel Lampedusa. Italien hat den Notstand ausgerufen. Die EU-Kommission sagte Rom inzwischen Hilfe zu.
Angesichts eines nicht abreißenden Stroms tausender Bootsflüchtlinge aus Tunesien hat Italien den humanitären Notstand ausgerufen. Um weitere Überfahrten zu verhindern, kündigte Innenminister Roberto Maroni am Sonntag zudem an, italienische Polizisten in das nordafrikanische Land entsenden zu wollen. Die Zustimmung dazu müsste der tunesische Außenminister Ahmed Ounaïes geben, der aber am Sonntag zurücktrat.
In den vergangenen fünf Tagen erreichten rund 5000 tunesische Flüchtlinge die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa. Allein in der Nacht zum Sonntag waren es laut Küstenwache fast 1100 Menschen. Darüber hinaus hielten die tunesischen Behörden Berichten zufolge rund 1500 Bürger an der Küste von einer Flucht ab. Allein auf der Insel Djerba seien 200 Menschen festgenommen worden.
Lampedusa liegt nur 110 Kilometer vor der tunesischen Küste und damit näher an Nordafrika als am italienischen Festland. Der Flüchtlingsstrom war seit den Unruhen in Tunesien und dem anschließenden Sturz von Staatschef Zine El Abidine Ben Ali angeschwollen.
Krisenstab eingerichtet
Die Ausrufung des humanitären Notstands erlaube es den Zivilschutzbehörden, „unverzüglich“ Maßnahmen einzuleiten, um das „Phänomen“ unter Kontrolle zu bekommen und den nordafrikanischen Flüchtlingen beizustehen, teilte die Regierung in Rom mit. Der Zivilschutz richtete einen Krisenstab ein. Die Behörden brachten tausende Flüchtlinge über eine Luftbrücke und mit Fähren in Auffanglanger auf Sizilien und im Süden Italiens.
Im Fernsehsender TG5 sagte Maroni, er werde das Außenministerium in Tunis um eine Erlaubnis für den Einsatz italienischer Polizisten auf tunesischem Territorium ersuchen. Die Beamten sollten verhindern, dass weitere Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten. Allerdings trat der tunesische Außenminister Ounaïes am Sonntag wegen eines Streits um seinen Frankreich-Besuch Anfang Februar zurück.
EU will Italien helfen
Die EU-Kommission sagte Rom inzwischen Hilfe zu. Innenkommissarin Cecilia Malström sei sich „des außergewöhnlichen Drucks bewusst“, der derzeit auf Italien laste, sagte eine Sprecherin. Malström habe Kontakt mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex und mit Flüchtlingsorganisationen aufgenommen. Am Montag reist die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Tunesien.
Der Flüchtlingsstrom führt der tunesischen Übergangsregierung derzeit erneut das drängende Problem der Arbeits- und Perspektivlosigkeit vieler Menschen vor Augen, das zum Sturz Ben Alis beigetragen hatte. „Die Revolution im Januar hat überhaupt nichts gehändert. Wir wollen in Europa Arbeit finden und bitten das italienische Volk um Hilfe“, sagte ein in Lampedusa gestrandeter Mann dem Sender Sky TG-24. Ein Sprecher des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) bezeichnete die Lage auf der Mittelmeerinsel als „kritisch“. (afp)