Kairo. . Ägyptens Präsident hat Mubarak eine Verfassungsreform auf den Weg gebracht. Der Staatschef ordnete am Dienstag außerdem eine Untersuchung der Gewalt an, der nach Angaben von Menschenrechtlern rund 300 Menschen zum Opfer fielen. In Kairo dauern die Proteste unterdessen an.
Der ägyptische Präsident Husni Mubarak hat erste konkrete Schritte zur Umsetzung der von den Demonstranten in Kairo geforderten Reformen unternommen. Wie Vizepräsident Omar Suleiman im Staatsfernsehen mitteilte, wurde ein Ausschuss einberufen, der Vorschläge für Änderungen der Verfassung erarbeiten soll.
Auf dem zentralen Tahrir-Platz feierten Hunderttausende Regimegegner einen der Initiatoren der Proteste, der nach knapp zweiwöchiger Haft wieder freigelassen wurde. Die Zentralbank intervenierte unterdessen, um einen weiteren Absturz der ägyptischen Währung zu verhindern.
Der von Mubarak eingesetzte Ausschuss soll Suleiman zufolge unter anderem die Möglichkeit prüfen, die Voraussetzungen für eine Präsidentschaftskandidatur zu lockern und die Zahl der Amtszeiten des Präsidenten zu begrenzen. Mubarak habe zudem ein zweites Komitee einberufen, das die Umsetzung der Reformen überwachen soll. Über die Besetzung der Ausschüsse, die sofort ihre Arbeit aufnehmen sollen, wurden zunächst keine Angaben gemacht.
Der Staatschef ordnete außerdem eine Untersuchung der blutigen Auseinandersetzungen zwischen seinen militanten Anhängern und den Regierungsgegnern auf dem Kairoer Tahrir-Platz in der vergangenen Woche an. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen dem Generalstaatsanwalt vorgelegt werden. „Die Jugend Ägyptens verdient nationale Anerkennung“, wurde der Präsident in staatlichen Medien zitiert. „Sie sollte nicht festgenommen, belästigt oder ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung beraubt werden.“
Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz zeigten sich aber unbeeindruckt von diesen Ankündigungen. Wie AFP-Reporter berichteten, versammelten sich am 15. Tag der Proteste dort erneut zehntausende Regierungsgegner. Allerdings kehrte der Rest Kairos zunehmend zum Alltag zurück. Die meisten Geschäfte waren wieder geöffnet, zudem wurde die nächtliche Ausgangssperre um eine Stunde verkürzt. In anderen ägyptischen Städten gingen am Dienstag insgesamt rund 20.000 Menschen gegen Mubarak auf die Straße
Hunderttausende feiern freigelassenen Google-Manager
In der Innenstadt von Kairo feierten Hunderttausende Demonstranten den aus dem Gefängnis freigelassenen Google-Manager Wael Ghonim. Viele Menschen kamen eigenen Angaben zufolge zum ersten Mal auf den Tahrir-Platz, um den jungen Ägypter zu sehen, der als einer der Anführer der Protestbewegung gilt. „Wir werden unsere Forderung nach einer Absetzung des Regimes nicht aufgeben“, sagte Ghonim.
Der 30-Jährige hatte am Montag nach seiner Freilassung ein emotionales Fernsehinterview gegeben, in dem er beschrieb, wie er vor knapp zwei Wochen von vier Männern auf offener Straße überwältigt und zur ägyptischen Staatssicherheit gebracht wurde. Während seiner gesamten Inhaftierung seien ihm die Augen verbunden gewesen, gefoltert worden sei er aber nicht.
„Als ich ihn gestern im Fernsehen gesehen habe, musste ich weinen“, sagte die Hausfrau Fifi Schawki, die sich mit ihren drei Töchtern am Dienstag erstmals an den Protesten beteiligte. „Ich hatte das Gefühl, er sei mein Sohn - dass all die Jugendlichen hier meine Söhne seien.“ Ghonim bezeichnete seine Verhaftung als Entführung und ein Verbrechen, gab sich aber versöhnlich. Dies sei nicht die Zeit, Rechnungen zu begleichen, sagte er. Zugleich verwahrte er sich wiederholt dagegen, als Held bezeichnet zu werden. Alle auf der Straße seien Helden, erklärte der Marketing-Manager.
Tod eines Bloggers gab den Anstoß
Der junge Mann, der in Dubai lebt, steht nach eigener Aussage hinter der Facebook-Seite „Wir sind alle Chaled Said“, auf der die Jugendlichen des Landes seit dem 25. Januar zu den täglichen Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in der Kairoer Innenstadt aufgerufen werden. Der Name der Seite bezieht sich auf einen 28-jährigen Blogger, der im Juni in Alexandria von zwei Polizisten in Zivil zu Tode geprügelt wurde.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete unterdessen, die zweiwöchigen Proteste hätten bislang mindestens 297 Menschen das Leben gekostet. Die Zahl der Todesopfer werde aber vermutlich noch steigen. Von offizieller Seite wurde bisher eine Zahl von etwas über 100 Opfern angegeben.
Die Zentralbank bestätigte am Dienstag eine Intervention, mit der ein weiterer Absturz der Landeswährung verhindert werden sollte. Das ägyptische Pfund war wegen der anhaltenden Proteste zuvor in die Nähe eines Sechs-Jahres-Tiefs gerutscht. Der Bewegungen des Pfundes würden ständig überwacht und die Bank sei jederzeit bereit, erneut einzugreifen, sagte ein Sprecher des Instituts. Über die Menge an Geld, mit der bisher in die Währungsmärkte eingegriffen wurde, gab es zunächst keine Angaben.
Westerwelle lehnt Einmischung des Auslands ab
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich erneut dagegen aus, dass das Ausland die Regierungsbildung in Ägypten beeinflusst. Im rbb-Inforadio sagte Westerwelle am Dienstag, es sei in diesen Stunden und Tagen sehr wichtig, dass nicht der Eindruck entstehe, dass die demokratische Bewegung „eine Angelegenheit des Westens oder des Auslandes“ sei. Sie sei eine ägyptische Angelegenheit, die vom Freiheitswillen der Ägypter getragen werde. Dies sei auch „eine Voraussetzung für den Erfolg der Demokratie“.
Weiter lehnte Westerwelle es erneut ab, sich an Spekulationen über einen möglichen Aufenthalt des ägyptischen Präsidenten Mubarak in Deutschland zu beteiligen. Es lägen nach wie vor keine offiziellen oder inoffiziellen Anfragen vor.
USA gegen sofortigen Rückzug Mubaraks
Nach tagelangem Zögern bezog die US-Regierung erstmals deutlicher Position und sprach sich gegen einen sofortigen Rückzug Mubaraks aus. Die Umsetzung dieser zentralen Forderung der Demonstranten könne einen Rückschlag für den demokratischen Prozess bedeuten. Außenministeriumssprecher P. J. Crowley sagte am Montag in Washington, Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen seien ein schwieriges Unterfangen. Bis Ägypten freie und faire Wahlen abhalten könne, müsse noch viel getan werden.
Zugleich mahnte er, dass die Gespräche zwischen Regierung und Opposition umfassender werden müssten. Es gebe immer noch Gruppen, die bei den Verhandlungen nicht vertreten seien. Crowley erklärte, Neuwahlen innerhalb der nächsten acht Monate seien machbar.
Arbeit ausländischer Journalisten wird behindert
Die Arbeit von Journalisten bei der Berichterstattung über die Revolte in Ägypten wird nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) weiter behindert. Am Dienstag sei ausländischen Reportern ohne Akkreditierung der Zugang zum Tahrir-Platz verweigert worden, berichtete die in New York ansässige Organisation. Die Soldaten hätten Journalisten festgenommen und ihre Ausrüstung beschlagnahmt. Seit dem 30. Januar gab es dem CPJ zufolge mindestens 140 direkte Angriffe auf Journalisten, die über die Unruhen berichten wollten.
Mehrere deutsche Reiseveranstalter kündigten unterdessen an, bis Ende Februar nicht mehr in das Land zu fliegen. TUI, Thomas Cook und Rewe Touristik sagten alle Reisen nach Ägypten ab, einschließlich der Urlaubsorte am Roten Meer. FTI Group hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, alle Anreisen bis zum 28. Februar zu annullieren. (afp/dapd)