Kairo. . Endlich Gespräche statt Gewalt: Ägyptens Vizepräsident Omar Suleiman trifft sich mit Vertretern der Oppositionskräfte, um über Reformen hin zu mehr Demokratie im Land zu diskutieren. Teilnehmer waren unter anderem Unterstützer von ElBaradei und Vertreter der Muslimbruderschaft.
Nach über eineinhalb Wochen der Demonstrationen und Proteste haben am Wochenende in Kairo die Verhandlungen über die Zukunft Ägyptens begonnen. Vizepräsident Omar Suleiman traf sich am Sonntag mit Vertretern der Oppositionskräfte, um über Reformen hin zu mehr Demokratie im Land zu diskutieren. Teilnehmer waren unter anderem Unterstützer des Friedensnobelpreisträgers Mohamed ElBaradei und Vertreter der Muslimbruderschaft.
Nach Angaben einer amtlichen ägyptischen Nachrichtenagentur versprach Suleiman Pressefreiheit, die Freilassung festgenommener Demonstranten und die Aufhebung des Ausnahmezustands sobald die Sicherheitslage es erlaube. Außerdem habe er der Einrichtung eines Komitees zugestimmt, das von den Demonstranten geforderte Änderungen an der Verfassung erörtern soll. Bis zur ersten Märzwoche soll es Vorschläge machen, wie beispielsweise eine Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten und eine Lockerung der Voraussetzungen für Präsidentschaftskandidaten aussehen könnten.
Weiter versprach die Regierung, die Demonstranten nicht zu schikanieren und Mobilfunk- und Internetdiensten nicht zu stören. Außerdem einigten sich beide Seiten auf die Einrichtung von Büros, in denen sich Bürger über politische Verhaftungen beschweren können. Die Regierung stimmte außerdem der Bildung eines Gremiums zu, das Korruption verfolgen und bestrafen soll. Außerdem sollen diejenigen gefunden und bestraft werden, die für das unerklärliche Verschwinden der Polizei von den Straßen Kairos vor rund einer Woche verantwortlich waren. In Abwesenheit der Ordnungshüter fanden Plünderungen und Brandstiftungen statt.
Rücktritt Mubaraks weiter eine Bedingung
Trotz der Gespräche bestünden die Muslimbruderschaft wie auch die Demonstranten weiter auf einen sofortigen Rücktritt von Präsident Husni Mubarak, sagte ein Sprecher der islamistischen Organisation, Mohammed Mursi, vor dem Treffen der Nachrichtenagentur AP. Er lehnte auch Vorschläge ab, nach denen Suleiman für eine Übergangszeit das Präsidentenamt von Mubarak übernehmen soll.
Die Muslimbruderschaft gilt als stärkste Oppositionskraft im Land. Treibende Kräfte hinter den anhaltenden Protesten waren hingegen eher weltlich orientierte junge Leute. Offiziell ist die Muslimbruderschaft in Ägypten seit 1954 verboten. Sie will einen islamischen Staat in Ägypten errichten, hat aber erklärt, sie werde Frauen nicht zwingen, sich zu verschleiern, und werde am Friedensvertrag mit Israel festhalten.
Wieder Tausende auf dem Tahrir-Platz
Die Regierung bemühte sich unterdessen, ein wenig Normalität in der Hauptstadt wiederherzustellen. Einige Banken öffneten zum ersten Mal seit einer Woche, wenn auch nur für wenige Stunden. Auch der Verkehr floss wieder. Demonstranten begrüßten Händler, die ihre Geschäfte öffneten mit Blumen.
Auf dem Tahrir-Platz versammelten sich bis zum Nachmittag wieder rund 5.000 Menschen, um gegen Mubarak zu protestieren. Hunderte beteten dort auch für die bei den Protesten umgekommenen Demonstranten. Bei einem anschließenden christlichen Gottesdienst beteten Christen und Tausende Muslime gemeinsam.
Die Demonstranten zeigten sich unbeeindruckt von den Rücktritten zahlreicher führender Mitglieder der Regierungspartei NDP. Unter anderen hatten am Samstag Generalsekretär Safwat el Scharif und Mubaraks Sohn Gamal ihre Posten geräumt. Mubarak selbst wurde vom Staatsfernsehen weiterhin als Chef der Regierungspartei bezeichnet.
Szenarien des Abgangs
Unterdessen wurden bereits verschiedene Szenarien für eine Machtübergabe durchgespielt. Vertreter der US-Regierung erwägen einem Bericht der „New York Times“ zufolge eine Ausreise Mubaraks nach Deutschland. So sei diskutiert worden, ob Mubarak sich in sein Haus im Badeort Scharm-el-Scheich zurückziehen oder zu einem verlängerten medizinischen Aufenthalt nach Deutschland begeben sollte, schreibt die Zeitung auf ihrer Internetseite. Auf diese Weise könne eine Übergangsregierung unter Vizepräsident Suleiman in die Position gebracht werden, Verhandlungen mit der Opposition aufzunehmen, ohne dass Mubarak sofort sein Amt verlieren würde.
Im Norden Ägyptens wurde am Samstag in einer leeren Kirche ein Sprengsatz gezündet. Verletzt wurde dabei offenbar niemand. Auf der Halbinsel Sinai explodierte am Samstagmorgen eine Gaspipeline. Der Gouverneur der Region, Abdel Wahab Mabruk, sprach zunächst von Sabotage. Der Leiter des nationalen Gasversorgers erklärte hingegen am Nachmittag, die Explosion sei durch ein Leck verursacht worden. Allerdings sagte ein Sicherheitsbeamter vor Ort, in dem Gasterminal sei ein Sprengsatz detoniert. Verletzte gab es offenbar nicht. (dapd)