Brüssel. .

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gepunktet: Der EU-Gipfel stimmte trotz Bedenken einer Euro-Wirtschaftsregierung zu. Künftig sollen Steuer- und Rentenpolitik unter den Mitgliedern besser abgestimmt werden.

Die Euro-Länder haben sich darauf geeinigt, ihre Wirtschaftspolitik in einem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit künftig enger abzustimmen. Zwischen den Ländern mit der Gemeinschaftswährung bestehe "Einigkeit, dass es einen solchen Pakt gibt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. "Wir werden weitere Schritte unternehmen, um eine neue Qualität der Koordinierung unserer Wirtschaftspolitiken zu bekommen." Merkel hatte einen solchen Pakt am Freitag gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy den anderen Euro-Staaten vorgeschlagen.

Über den Vorschlag sei auf dem Gipfel "sehr lange" gesprochen worden, "weil das ein qualitativ neuer Schritt" in der wirtschaftspolitischen Abstimmung sei, sagte Merkel. Die Bundeskanzlerin hob hervor, dass auch EU-Staaten, die nicht zu der Euro-Zone gehören, sich dem Pakt anschließen können. Einzelheiten der Vereinbarung sollen auf einem Treffen der Euro-Länder im März besprochen werden.

Härtere Schulden-Regeln

Dem deutsch-französischen Vorstoß zufolge sollen zumindest die Euro-Staaten strengere Verpflichtungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eingehen, als sie bislang für alle EU-Staaten gelten. Vorgeschlagen werden etwa eine Schuldenbremse wie in Deutschland sowie gemeinsame Maßstäbe bei Unternehmenssteuern, den Ausgaben für Innovation und dem Rentenalter. Geplant ist auch ein Paket mit Sofortmaßnahmen, die innerhalb eines Jahres umgesetzt werden sollen.

Der Vizechef der konservativen Mehrheitsfraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), warnte in der „Welt“ mit Blick auf eine gemeinsame Wirtschaftsregierung in der EU davor, die EU-Kommission und das Europäische Parlament von wichtigen Entscheidungen auszuschließen. „Bei so weit reichenden Entscheidungen, die das Leben vieler Bürger betreffen, ist eine ausreichende demokratische Kontrolle unbedingt notwendig“, sagte Weber.

Zuspruch erntete Merkels Vorschlag beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Es gehe es um eine Strukturangleichung von Rahmenbedingungen, die für eine gemeinsame europäische Perspektive unerlässlich sei, sagte IW-Chef Michael Hüther der „Saarbrücker Zeitung“. Alle Länder wüssten, dass sie gegenüber den Märkten glaubwürdig sein müssten. Da dies „institutionelle Regelungen“ voraussetze, habe Merkels Vorhaben gute Chancen auf eine Verwirklichung.

Aufstockung des Euro Rettungsschirmes im Gespräch

Der EU-Gipfel in Brüssel wollte ebenfalls eine Stärkung des Euro-Rettungsschirmes auf den Weg bringen. Im Entwurf für die Abschlusserklärung heißt es, die Eurogruppe solle auf dem Gipfel im März konkrete Vorschläge dazu vorlegen. Diese sollten sicherstellen, wie der EFSF genannte Fonds „die notwendige Flexibilität und finanzielle Ausstattung“ für die Rettung von Wackelkandidaten erhalten könne.

Über die Aufstockung des Fonds ist in Berlin heftig gestritten worden. Er verfügt derzeit effektiv nur über rund 250 Milliarden Euro, zugesagt waren aber 440 Milliarden Euro. Wie diese Summe erreicht werden kann, ist noch nicht beschlossen. Ein Vorschlag sieht vor, dass die sechs Staaten mit besten Bonitätsnoten ihre Garantiesumme erhöhen. Für Deutschland könnte dies eine Verdoppelung der Hilfe von derzeit rund 120 Milliarden Euro bedeuten. Die Staaten mit keiner optimalen Kreditwürdigkeit müssten in dem Fall Barmittel für den Fonds bereitstellen.

Der Stärkung des Rettungsfonds will Berlin nur als Teil eines Gesamtpaketes zur Stabilisierung der Währungsunion zustimmen. Dazu gehört auch ein Wettbewerbspakt der 17 Euro-Staaten. Auf Drängen Deutschlands und Frankreichs sollen sich die Mitglieder der Eurozone dafür zu Reformen bei Renten, Steuern und in der Lohnpolitik verpflichten.

Deutschland drängt auf Förderung der auch in NRW vorkommenden Erdgasreserven

In Brüssel ging es auch um ein gemeinsames Energiekonzept bis 2020. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen den Ausbau europäischer Strom- und Gasnetze. Damit kommen auf Unternehmen Milliardeninvestitionen zu, die sich wohl in höheren Energiepreisen für Verbraucher niederschlagen. Europa will unabhängiger von Öl und Gas aus Russland werden.

In diesem Zusammenhang hat Merkel im Vorfeld überraschend die Ausbeutung bisher schwer erreichbarer Erdgas-Reserven thematisiert. Auf Initiative von Polen und auf Druck Deutschlands soll in der Abschlusserklärung des Gipfels die Bedeutung der Lagerstätten erwähnt werden. Um die Energieversorgung Europas zu sichern, solle auch die nachhaltige Förderung des sogenannten unkonventionellen Erdgases bewertet werden, heißt es im Entwurf, der der WAZ vorliegt.

In NRW tobt seit Wochen eine Debatte über geplante Gas-Probebohrungen. „Es scheint ganz so, als haben die Konzerne ExxonMobil, Wintershall & Co. Druck ge­macht“, sagte Oliver Krischer, Energieexperte der Grünen im Bundestag, dieser Zeitung. Er kritisiert, in der Gipfelerklärung fehlten Regeln für die Einhaltung von Umweltstandards völlig.(DerWesten, mit dapd/afp)