Kairo. . In Kairo sind´Angehörige der ägyptischen Streitkräfte auf den zentralen Tahrir-Platz vorgerückt. Berichten zufolge gingen die Sicherheitskräfte mit Tränengas gegen die Menschenmassen vor. Es seien auch Schüsse in die Luft abgegeben worden.

Bei den Unruhen in Kairo sind am Mittwoch nach Behördenangaben ein Mensch getötet und rund 400 verletzt worden. Der Tote habe für die Sicherheitskräfte gearbeitet, sagte ein Sprecher des ägyptischen Gesundheitsministeriums im Staatsfernsehen. Tausende Gegner von Präsident Husni Mubarak demonstrierten in der Kairoer Innenstadt erneut gegen den Machthaber und verlangten seinen sofortigen Rücktritt. Die Demonstranten wurden von mutmaßlichen Anhängern Mubaraks angegriffen.

Ägyptische Streitkräfte waren wegen der Auseinandersetzungen auf den zentralen Tahrir-Platz vorgerückt. Den Berichten zufolge gingen die Sicherheitskräfte von mehreren Militärfahrzeugen aus mit Tränengas gegen die Menschenmassen vor. Es seien auch Schüsse in die Luft abgegeben worden, die aber ohne Wirkung blieben, hieß es in Medienberichten.

Mehrere tausend Anhänger des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak hatten am Mittwoch die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo angegriffen. Die Angreifer ritten teilweise auf Pferden und Kamelen und schlugen auf die Teilnehmer des Protests ein. Es kam zu chaotischen Szenen, beide Seiten warfen Steine und Flaschen aufeinander und schlugen aufeinander ein. Der Sender Al Dschasira berichtete, ein Journalist von Al Arabija sei niedergestochen worden. Die Opposition erklärte, unter den Anhängern Mubaraks seien viele Polizisten in ziviler Kleidung gewesen. Al Dschasira zitierte einen Augenzeugen, der erklärte, die Angreifer hätten jeweils 17 Dollar bekommen. Eine unabhängige Bestätigung für diese Angaben gab es nicht.

Muslimbrüder gegen Verbleib Mubaraks bis September

Die ägyptischen Muslimbrüder lehnten unterdessen einen Verbleib von Mubarak an der Macht bis September ab. "Das Volk weist alle Teil-Maßnahmen zurück, die gestern vom Kopf des Regimes (Mubarak) vorgeschlagen wurden, und akzeptiert keine Alternative zum Abgang des Regimes", erklärte die wichtige Oppositionsbewegung am Mittwoch in Kairo. Der 82-jährige Mubarak hatte am Dienstagabend angesichts der Massenproteste in seinem Land erklärt, nach drei Jahrzehnten an der Macht werde er nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren. Sein Mandat läuft offiziell bis September.

Lebensmittelknappheit

Einige Anhänger Mubaraks äußerten die Befürchtung, dass es zu einer anhaltenden Lebensmittelknappheit kommen könnte, wenn die Demonstrationen weitergingen. Einer der Organisatoren der Proteste, Ahmed Abdel Hamid, sagte dagegen, mit der Schließung der Banken und der Lebensmittelknappheit wolle das Regime Druck auf die Demonstranten ausüben. Vor Tankstellen und Bäckereien bildeten sich bereits lange Schlangen, frisches Gemüse gab es in Kairo praktisch nicht mehr zu kaufen. Die Bauern aus dem Umland konnten ihre Waren nicht in die Hauptstadt bringen.

Die Streitkräfte forderten, die Demonstranten müssten sich „aus Liebe zu Ägypten“ zurückziehen. Die Äußerungen der Streitkräfte waren ein Anzeichen dafür, dass die Demonstranten die Unterstützung des Militärs verlieren könnten. Noch am Montag hatte die militärische Führung vorsichtige Unterstützung signalisiert und erklärt, sie werde keine Gewalt gegen die Teilnehmer der Protestaktionen anwenden. Als Zeichen einer Normalisierung war das Internet am Mittwoch aber nach tagelangem Ausfall in Ägypten wieder zugänglich. Das bisher von 15.00 Uhr bis 08.00 Uhr geltende Ausgehverbot wurde auf 17.00 Uhr bis 07.00 Uhr verkürzt.

Hunderttausenden Demonstranten, die am Dienstag auf dem Kairoer Tahrir-Platz waren, war Mubaraks Verzicht auf eine weitere Kandidatur zu wenig. Sie forderten weiter den Rücktritt des Staatschefs bis Freitag und reagierten mit lautstarker Ablehnung auf die Rede. „Verschwinde, verschwinde, verschwinde“, riefen sie, buhten und schwenkten Schuhe über ihren Köpfen in Richtung eines Mubarak-Porträts. In der arabischen Welt ist das ein Zeichen großer Verachtung.

Obama dringt auf raschen Wandel

Auch US-Präsident Barack Obama drängt Mubarak, angesichts der Massenproteste in seinem Land einen sofortigen und geordneten Übergang zu einer neuen Regierung einzuleiten. Obama telefonierte am Dienstagabend eigenen Angaben zufolge nach Mubaraks Rede an die Nation mit dem 82-jährigen Staatschef. Der Protestbewegung, die zuvor allein in Kairo eine Million Demonstranten gegen Mubarak mobilisiert hatte, versicherte er: „Wir hören eure Stimmen.“ In einer Pressekonferenz im Weißen Haus ließ Obama durchblicken, dass ein Abgang im September wohl nicht früh genug sei. Mubarak habe in dem Telefonat selbst eingesehen, „dass der Status Quo nicht aufrechtzuerhalten ist und dass ein Wandel stattfinden muss“.

„Dem ägyptischen Volk, insbesondere den jungen Leuten, möchte ich klar sagen: Wir hören eure Stimmen. Ich habe die unbeugsame Überzeugung, dass ihr euer eigenes Schicksal in die Hand nehmt“, sagte der US-Präsident. Es sei nicht Sache irgendeines Landes, über die ägyptische Führung zu entscheiden. Wichtig sei, dass der Übergang zu freien und fairen Wahlen führe. Die USA würden Ägypten dabei „weiterhin die Hand der Freundschaft und Partnerschaft reichen.“

EU fordert geordneten Übergang zur Demokratie

Die EU hat sich der Forderung der USA nach einem geordneten Übergang zu einer demokratischen Regierung in Ägypten angeschlossen. "Die Europäische Kommission ruft zu einem geregelten Übergang und der Durchführung freier und fairer Wahlen in Ägypten auf", hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung. Die Kommission äußerte darin "ihre feste Verpflichtung, das rechtmäßige Streben des ägyptischen Volkes zu unterstützen".

Kritiker hatten der EU in den vergangenen Tagen vorgeworfen, ihre Unterstützung für die prodemokratischen Proteste in Ägypten nicht deutlich genug gezeigt zu haben. Zudem habe sie sich nicht so schnell wie Washington von dem Regime Husni Mubaraks distanziert.(rtr/afp/dapd)