Kairo. . Das ägyptische Parlament ist laut Staatsmedien suspendiert worden, bis das Ergebnis der umstrittenen Wahl vom Dezember überprüft wurde. Beide Kammern des Hauses hätten ihre Sitzungen “bis auf Weiteres“ ausgesetzt.
Die Opposition, deren Anhänger seit über eine Woche gegen Präsident Husni Mubarak protestieren, hatte nach der Parlamentswahl Betrugsvorwürfe erhoben. Mubaraks Regierungspartei hatte die Wahl gewonnen, die in der zweiten Runde von den wichtigsten Parteien der säkularen und islamistischen Opposition boykottiert worden war. Sie protestierten damit gegen den Verlauf der ersten Abstimmungsrunde Ende November, die ihrer Ansicht nach von Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet war. Nach offiziellen Angaben gingen 424 der 508 Sitze an Mubaraks Nationaldemokratische Partei (PND).
Am Dienstagabend hatte Husni Mubarak angekündigt, bei den Wahlen im September nicht ein weiteres Mal antreten zu wollen. Der Verzicht stellt die Protestbewegung in dem nordafrikanischen Land jedoch nicht zufrieden. Nach der Fernsehansprache Mubaraks demonstrierten in der Nacht zum Mittwoch tausende Menschen weiter im Zentrum von Kairo und verlangten den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. Auch US-Präsident Barack Obama drängte Mubarak, die Übergabe der Macht einzuleiten.
Die Rede Mubaraks quittierten die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo mit Buh-Rufen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. „Der Präsident ist dickköpfig, aber wir sind dickköpfiger“, rief ein Anführer in ein Megaphon. „Wir werden den Platz nicht verlassen.“ Mit Sprechchören forderte die Menge Mubarak auf, nach drei Jahrzehnten an der Macht abzudanken. Angesichts der seit mehr als einer Woche andauernden Massenproteste hatte Mubarak am Dienstagabend versprochen, bei den Präsidentschaftswahlen im September nicht mehr anzutreten. Einen sofortigen Rücktritt lehnte er aber ab.
Menge in Panik
In der nordägyptischen Hafenstadt Alexandria lieferten sich Anhänger und Gegner des Staatschefs gewalttätige Auseinandersetzungen. Mubarak-Getreue griffen nach der Rede Demonstranten der Opposition mit Stöcken und Messern an, wie Augenzeugen berichteten. Die Menge sei daraufhin in Panik geraten, die Armee habe Warnschüsse abgefeuert. Landesweit hatten am Dienstag mehr als eine Million Menschen friedlich für Mubaraks Rücktritt demonstriert, alleine in Kairo kamen nach Angaben der Sicherheitskräfte 500.000 Menschen zu der bislang größten Kundgebung seit dem Beginn der Protestwelle zusammen.
Obama forderte Mubarak in einer Erklärung am Dienstagabend (Ortszeit) nicht direkt zum Rücktritt auf. Allerdings signalisierte er dem 82-jährige Präsidenten deutlich, dass seine Zeit abgelaufen sei. Der „friedliche“ und „geordnete“ Übergangsprozess in dem nordafrikanischen Land müsse „jetzt“ beginnen, sagte Obama im Weißen Haus. Das habe er Mubarak zuvor in einem Telefongespräch verdeutlicht. Dieser habe eingesehen, dass der gegenwärtige Zustand nicht aufrechterhalten werden könne und es einem „Wandel“ geben müsse.
Obama: „Wir hören eure Stimmen“
Obama richtete sich in seiner Erklärung auch an die Demonstranten. „Dem ägyptischen Volk, vor allem den jungen Ägyptern, möchte ich klar sagen: Wir hören eure Stimmen“, sagte der US-Präsident. „Ich habe einen unbeugsamen Glauben daran, dass ihr euer eigenes Schicksal bestimmen werdet.“ Dem ägyptischem Militär dankte Obama für die friedliche Reaktion auf die Massenproteste. „Ich rufe das Militär auf, seine Bemühungen fortzusetzen, damit diese Zeit des Umbruchs friedlich verläuft“, sagte er.
Hinter den Kulissen hatten die USA am Dienstag die diplomatischen Bemühungen intensiviert. Aus Regierungskreisen in Washington verlautete, dass der US-Sondergesandte Frank Wisner dem langjährigen Verbündeten Mubarak nahegelegt habe, sich nicht zur Wiederwahl zu stellen. Zugleich nahm die US-Botschafterin in Kairo, Margaret Scobey, einen ersten Kontakt mit Oppositionspolitiker Mohamed ElBaradei auf. Nach Mubaraks Rede habe Obama schließlich mit dem angeschlagenen Staatschef ein „direktes und offenes“ Telefonat geführt. In dem halbstündigen Gespräch habe Obama klar gesagt, dass die Übergabe der Macht nicht „hinausgezögert“ werden könne.
Wer füllt Präsidentenposten in Ägypten?
Doch wenn Mubarak sich zurückzieht, wer wird dann Präsident in Ägypten? Der ehemalige Außenminister Ägyptens, Amr Moussa, etwa erwägt, sich als Präsidentschaftskandidat in dem nordafrikanischen Land aufstellen zu lassen. „Ja, ich habe dieses Recht. Ich werde in den nächsten Wochen ernsthaft darüber nachdenken“, sagte Moussa am Dienstag in einem Interview mit CNN. Moussa ist Generalsekretär der Arabischen Liga seit Mai 2001. Er war bereits vor einigen Jahren von Oppositionellen als möglicher Mubarak-Nachfolger gehandelt worden.
Der ägyptische Reformpolitiker und frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, sagte CNN, dass Mubaraks Erklärung ein Täuschungsakt sei. Mubarak habe mit seinem geplanten Rückzug auf Raten zudem die Forderungen der Demonstranten nicht erfüllt. Der Friedensnobelpreisträger und international anerkannte Diplomat bietet sich als Übergangspräsident in Ägypten an.
Deutsche Steuerzahler haften
Auch auf Deutschland kann die Ägypten-Krise deutliche Auswirkungen haben: Sollte es zu einem Umsturz in Ägypten kommen, könnten auf die Steuerzahler womöglich dreistellige Millionenbeträge durch Exportausfälle zukommen. Das gehe aus einem internen Papier des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, wie das Onlineportal „Bild.de“ am Mittwoch berichtet. Demnach betragen die durch Hermes-Bürgschaften garantierten Zahlungsverpflichtungen Kairos derzeit 187,4 Millionen Euro.
Hinzu kommen dem Bericht zufolge weitere grundsätzliche Deckungszusagen für noch im Verhandlungsstadium befindliche Geschäfte in Höhe von 61,4 Millionen Euro sowie staatliche Kapitalanlage-Garantien in Millionenhöhe. Deutsche Firmen seien mit rund 350 Millionen Euro Direktinvestitionen in Ägypten engagiert, vor allem in den Bereichen Fahrzeugbau, Telekommunikation, Düngemittelindustrie, Erdöl- sowie Erdgas-Förderung.
2009 betrugen die deutschen Ausfuhren in das arabische Land laut Wirtschaftsministerium 2,66 Milliarden Euro, die Importe 832 Millionen Euro. Wichtigste Einfuhrgüter aus Ägypten sind außer Erdöl und Erdgas Textilien und landwirtschaftliche Produkte wie exotische Früchte. (afp/rtr/dapd)