Sanaa. . Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hat vor dem Parlament seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt. Denn nach dem Sturz des tunesischen Diktators und dem Aufstand in Ägypten erklingen auch im Jemen neue Töne.

Der jemenitische Präsident hat am Mittwoch vor dem Parlament seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt und will die Macht auch nicht an seinen Sohn übergeben. Er hat aus den revolutionären Tendenzen in seinem Land offenbar bereits die Konsequenzen gezogen.

Noch hängt in jedem Krämerladen das Porträt von Jemens Staatschef Ali Abdallah Saleh. Viele der Fotos sind vergilbt, manche zeigen ihn im Look der 70er Jahre - schließlich ist der Präsident seit beinahe 33 Jahren im Amt. Die meisten Jemeniten - fast die Hälfte von ihnen ist jünger als 15 Jahre - kennen nur Saleh als Präsidenten, ein Jemen ohne ihn ist für sie kaum vorstellbar. Doch nach dem Sturz des tunesischen Diktators und dem Aufstand in Ägypten sind auch im Jemen neue Töne zu hören. Am für diesen Donnerstag geplanten „Tag des Zorns“ erwartet die Opposition Hunderttausende Demonstranten.

„Ali hau ab!“ skandierten junge Männer in den vergangenen Tagen bei Demonstrationen gegen die Regierung. Bei der bisher größten Protestkundgebung vergangenen Donnerstag zogen Zehntausende durch die Hauptstadt. „Gestern Tunesien, heute Ägypten, morgen Jemen“, lautet ein Slogan der Protestbewegung. Ein Bündnis aller Oppositionsparteien, das die Demonstrationen organisiert, will die revolutionäre Stimmung in den Bruderstaaten für sich nutzen. Doch die Ausgangslage im ärmsten arabischen Land ist eine völlig andere. Der Jemen bewegt sich bereits seit Jahren am Rande des Zerfalls. Saleh, dem es jahrzehntelang gelang, Stammesführer, Scheichs und alte Kämpfer einzubinden, verliert zunehmend die Kontrolle.

Von Saleh abgewandt

Weite Teile des Landes begehren gegen seine Herrschaft auf. Der ehemalige sozialistische Süden fordert 20 Jahre nach der Vereinigung die Abspaltung. Auch den äußersten Norden hat Saleh gegen sich. In der dortigen Region Saada ist die mit den schiitischen Rebellen vereinbarte Waffenruhe brüchig. Die Islamistischen Fundamentalisten haben sich von Saleh abgewandt und greifen seine Sicherheitskräfte an. Obwohl El Kaida keinen großen Rückhalt in der Bevölkerung genießt, sind die Terroristen zu einer ernsthaften Gefahr für die Stabilität des Landes geworden.

Jetzt verliert auch die Opposition in Sanaa, die lange Zeit an den politischen Rand gedrängt war, die Geduld. Der 2009 vereinbarte Dialog mit der Regierungspartei über politische Reformen, die bis zu der für Ende April geplanten Parlamentswahl umgesetzt werden sollten, blieb erfolglos. Stattdessen wollte der 68-jährige Saleh die Verfassung ändern, um sich eine lebenslange Amtszeit zu ermöglichen.

Noch kämpfen Salehs Gegner getrennt an verschiedenen Fronten. Wirklich gefährlich werde es für den Präsidenten erst, wenn die Demonstranten in Sanaa mit den Frustrierten im Süden und den schiitischen Rebellen im Norden gemeinsame Sache machten, meint der Politikwissenschaftler Gregory Johnsen von der US-Eliteuniversität Princeton.

Tunesien immerhin „halb-demokratisch“

Saleh versuchte den wachsenden Widerstand mit Geldgeschenken und Versprechungen zu besänftigen. Er erhöhte den Sold der Soldaten und kündigte einen Fonds an, mit dem Stellen für arbeitslose Uniabsolventen geschaffen werden sollen. Das soll jene beschwichtigen, die vor allem wegen der wachsenden Armut und Perspektivlosigkeit auf die Straße gehen.

Jemen sei im Vergleich zum früheren Tunesien immerhin „halb-demokratisch“, sagt die Chefredakteurin der englischsprachigen „Yemen Times“ Nadja el Sakaf. Angesichts mancher Freiheiten der Presse und einer florierenden Zivilgesellschaft galt der Jemen lange als demokratisches Musterland auf der Arabischen Halbinsel. Das könne ein Grund dafür sein, dass die Revolution im Jemen vorerst ausbleibt, kommentiert Sakaf. Zudem sei ein Großteil der 23 Millionen Jemeniten - jeder zweite davon ist Analphabet - mit dem nackten Überleben beschäftigt.

Derzeit beherrscht die Lage in Ägypten das Gespräch in Sanaa. Doch auch die Opposition im Jemen sei entschlossen, den Druck nach und nach zu erhöhen, sagt der Politikwissenschaftler Abdallah el Fakih von der Universität in Sanaa. „Entweder macht Saleh bis zur Wahl im April größere Zugeständnisse oder er muss gehen.“ Nach Fakihs Einschätzung hängt die Zukunft des Jemens entscheidend von der weiteren Entwicklung in Ägypten ab. „Wenn Mubarak stürzt, dann auch Saleh.“ (afp/dapd)