Essen. . Es ist eine besonders langsame und brutale Art, einen Menschen zu töten. In Afghanistan haben mutmaßlich Taliban ein junges Paar wegen Ehebruchs gesteinigt. Jetzt ist ein Video der Tat aufgetaucht.
Die Tat geschah im August vergangenen Jahres. In der Region Kundus in Afghanistan steinigt eine Menschenmenge ein junges Paar. Sie sollen angeblich Ehebruch begangen haben. Darauf steht nach der islamischen Rechtsordnung Scharia die Todesstrafe.
Das Video, das zunächst vom britischen Fernsehsender BBC ausgestrahlt wurde und nun auch auf dem Portal des us-amerikanischen Fernsehsenders ABC zu sehen ist, zeigt wie islamische Geistliche vor die Bewohner eines Dorfes treten und das Urteil verkünden. Es sind grausame Bilder.
Die 25 Jahre alte Siddiqa und ihr angeblicher Geliebter Khayyam müssen sterben, weil sie sich lieben, aber bereits andere feste Partner haben. Khayyam ist verheiratet, Siddiqua bereits einem anderen Mann versprochen. Nachdem der Schuldspruch gesprochen ist, prasseln unter den Rufen „Allah akbar“ (Gott ist groß) die Steine zunächst auf die in einen blauen Schleier gehüllte Frau nieder. Sie ist brusthoch in den Boden eingegraben als sie stirbt. Im Anschluss muss sich der eine Augenbinde tragende und an den Händen gefesselte Mann auf die staubige Erde kauern, bis auch sein Leben durch die mit Wucht geschleuderten Steine enden muss.
Dorf soll von Taliban beherrscht sein
Laut Medienberichten habe die afghanische Polizei versprochen, die Hintermänner der Tat zur Verantwortung zu ziehen. Doch gilt die afghanische Gesellschaft als sehr konservativ und traditionalistisch. Dies dürfte die Ermittlungen ebenso erschweren wie die tribalistische Organisation der Bevölkerung. Zudem soll das Dorf und die umliegende Region unter der Hoheit der Taliban stehen. „Im Prinzip sind die Schuldigen die Geistlichen, die das Urteil verkündet haben. Sie sind bekannte Männer und dürften nicht schwer zu finden sein“, sagt Max Klingberg von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) in Frankfurt. Doch sei in Regionen wie dieser die Autorität der islamischen Geistlichen viel höher als die der Polizei. Eine Verhaftung der Imame könnte Probleme für die Polizisten und ihre Familien nach sich ziehen. Dafür spreche auch, dass inzwischen knapp ein halbes Jahr seit der Steinigung vergangen ist und noch keine Verantwortlichen festgenommen worden sind.
Dieses Verhalten der afghanischen Polizei entspricht jedoch nicht dem Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte, den Afghanistan sogar freiwillig ratifiziert hat. Dieser Völkerrechtsvertrag schreibt das Recht auf Leben und das Verbot von Folter und unmenschlicher Bestrafung fest. „Afghanistan erhält von Deutschland finanzielle Unterstützung, damit dieser Pakt eingehalten wird. Aber die Regierung scheint das zu ignorieren“, sagt Max Klingberg.
Steinigung im Koran nicht erwähnt
Die Steinigung gab es bereits bei den Israeliten. Auch in Griechenland und im vorkolumbianischen Südamerika sollen Ehebrecher nach Angaben der IGfM durch Steinigung hingerichtet worden sein. Die keltischen Iberer haben Vatermörder ebenfalls auf die Weise getötet. In der jüngsten Vergangenheit sind Fälle von Steinigungen in Afghanistan, Nigeria, Iran, Irak, Jemen, Nigeria, Pakistan, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt geworden. Die Steinigung wird u.a. vollstreckt wegen Homosexualität, Abfall vom Islam, Inzest, Sodomie und Ehebruch. In allen Ländern mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit ist die Scharia Teil des Gesetzes, hat jedoch eine unterschiedlich große Bedeutung. Für viele Menschen gehört die Steinigung zur Scharia und zum Islam, obwohl sie im Koran nicht erwähnt wird.
Bei exakter Auslegung der Scharia hätte die 25-jährige Siddiqa gar nicht gesteinigt werden dürfen, da sie nicht verheiratet, sondern nur einem Mann versprochen war. „In diesem Fall hätte das Urteil 100 Peitschenhiebe lauten müssen. Immer noch sehr grausam, aber die Frau wäre am Leben“, so der Menschenrechtsexperte. Überhaupt legten sich die Mullahs in ihrer Urteilssprechung das islamische recht so aus, wie sie es möchten. So seien bei Ehebruch vier Männer mit gutem Leumund notwendig, die das Vergehen bezeugten. Findet man diese vier Männer nicht, genügt auch eine Zeugenaussage, die vier mal wiederholt wird. Gesteht also der beschuldigte Mann die Tat und spricht sein Geständnis vier mal aus, gilt das als vier Aussagen und der kann gesteinigt werden.
Demonstrationen gegen Reformation
In islamisch-konservativen Ländern wie Pakistan, Afghanistan, Saudi-Arabien oder Jemen sei es nach Aussage von Max Klingberg sehr schwierig, etwas gegen die Verletzung von Menschenrechten zu unternehmen. Die gelte auch für Partnerorganisationen der IGfM vor Ort. So gingen in Pakistan Anfang des Jahres tausende Menschen auf die Straßen, nachdem der liberale Gouverneur Salman Taseer ermordet worden war. Er hatte gefordert, die Todesstrafe bei Gotteslästerung abzuschaffen und für die Begnadigung einer beschuldigten Frau plädiert. Die Menschen demonstrierten jedoch für den Erhalt des Blasphemie-Paragrafen. Ein ähnliches Beispiel war im Jemen zu beobachten. Dort gab es eine Massendemonstration verschleierter Frauen, die sich gegen eine Reformation des islamischen Rechts stark machten.