Kairo. . In Ägypten gehen die Proteste gegen die Regierung weiter und haben gestern zwei weitere Todesopfer gefordert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle kritisierte die ägyptische Regierung ungewöhnlich scharf.

Bei den Protesten in Ägypten gegen die Regierung hat es am Mittwoch erneut zwei Tote gegeben. Ein Demonstrant und ein Polizist wurden bei Zusammenstößen im Zentrum der Hauptstadt Kairo getötet, wie aus Sicherheitskreisen verlautete.

Damit stieg die Gesamtzahl der Toten bei den seit zwei Tagen andauernden Protesten auf sechs. Der Polizist und der Demonstrant wurden den Angaben zufolge von Steinen tödlich getroffen, die von beiden Seiten geworfen wurden.

Die Regierung hatte versucht, mit Massenfestnahmen von Demonstranten ein Anwachsen der Protestbewegung zu verhindern. Einen Tag nach den größten Demonstrationen seit Jahren ging die Führung am Mittwoch rigoros gegen Regierungsgegner vor. Mindestens 860 Demonstranten wurden festgenommen, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Hunderte Verhaftungen in Kairo

Allein knapp 600 Demonstranten wurden den Angaben zufolge in Kairo verhaftet. Nicht allen Demonstranten drohe eine strafrechtliche Verfolgung, einige würden nach Befragung durch die Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt, hieß es. Die Demonstranten forderten unter anderem Präsident Husni Mubarak, der das Land seit 1981 regiert, zum Rücktritt auf.

Trotz aller Behinderungen zogen am Abend über 2000 Demonstranten auf einem großen Boulevard in Kairo entlang. Dutzende Polizisten stellten sich ihnen entgegen. Auch vorher hatten sich im Tagesverlauf immer wieder ähnliche Szenen abgespielt. Proteste wurden außerdem aus Suez und Assuan gemeldet.

Im Internet nannten Oppositionelle mehrere Orte in Kairo und anderen Städten, an denen sich Demonstranten versammeln sollten. „Ganz Ägypten muss sich bewegen, zu einem festen Zeitpunkt“, hieß es. Die Regierung brachte allerdings tausende Polizisten allein in der Hauptstadt in Stellung. Die Beamten bewachten die Brücken über den Nil, große Straßenkreuzungen und Plätze, das Gebäude des staatlichen Fernsehens und den Sitz der regierenden Nationaldemokratischen Partei.

Westerwelle ruft zur Achtung der Menschenrechte auf

In Suez versammelten sich etwa 1000 Menschen vor dem Leichenschauhaus und forderten die Herausgabe eines toten Demonstranten, der tags zuvor bei den schweren Zusammenstößen mit der Polizei ums Leben gekommen war. In Assiut ging die Polizei nach Augenzeugenberichten mit Schlagstöcken gegen etwa 100 Demonstranten vor und nahm etwa die Hälfte von ihnen fest.

Das wichtigste Kommunikationsmittel der Oppositionellen, das Soziale Netzwerk Facebook, schien teilweise blockiert zu werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rief die ägyptische Regierung ungewöhnlich deutlich zur Achtung der Menschenrechte auf.

Zugleich forderte Westerwelle in Berlin alle Beteiligten an den jüngsten Unruhen zu Gewaltverzicht und Zurückhaltung auf. Die Menschen- und Bürgerrechte müssten von allen respektiert werden. „Wer diese seinem Volk verweigert, riskiert die Instabilität seiner Gesellschaft“, sagte Westerwelle. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton erklärte in Brüssel: „Wir fordern die ägyptischen Stellen auf, die Rechte der Ägypter zu respektieren und den Wünschen der Bevölkerung Gehör zu schenken.“

Reformpolitiker ElBaradei will nach Ägypten zurückkehren

Zurückhaltender als die deutsche Regierung und die Europäische Union äußerten sich die USA zu den Protesten in Ägypten, das zu den wichtigsten amerikanischen Verbündeten in der arabischen Welt zählt. Außenministerin Hillary Clinton rief die Regierung und deren Kritiker zum Gewaltverzicht auf. Sie erklärte jedoch auch, Ägypten habe eine große Chance, wirtschaftliche, politische und soziale Reformen einzuleiten. Gleichzeitig sprach sie der Führung in Kairo ihr Vertrauen aus. Die Regierung von Präsident Mubarak sei stabil und tue ihr bestes, den Forderungen der Demonstranten entgegenzukommen.

Der ägyptische Reformpolitiker und frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, will unterdessen nach den Protesten in Kairo in sein Heimatland zurückkehren. ElBaradei werde am Donnerstag im Land erwartet, teilte sein Bruder Ali am Mittwoch in einer Email mit. Der Friedensnobelpreisträger gilt als möglicher Herausforderer von Staatschef Husni Mubarak bei der Präsidentenwahl im Herbst dieses Jahres. Der international anerkannte Diplomat lebt derzeit in Wien. Er hat sich in der Vergangenheit für politische Reformen in Ägypten ausgesprochen. (dapd/rtr)