Kairo. . Die Proteste gegen Ägyptens Präsident Husni Mubarak weiten sich aus. Die Zentrale von Mubaraks Partei in Suez sei mit Brandsätzen beworfen worden, so Augenzeugen. Nach Angaben von Ärzten wurden bei den Unruhen in Suez mindestens 70 Menschen verletzt.

Im Zuge der Proteste gegen Ägyptens Präsident Husni Mubarak haben Demonstranten laut Augenzeugenberichten ein Gebäude der Stadtverwaltung in der nordägyptischen Hafenstadt Suez in Brand gesetzt. Demonstranten hätten das Gebäude am Mittwoch mit Molotowcocktails beworfen, berichteten die Augenzeugen.

Auch die Parteizentrale von Mubaraks Partei in Suez sei mit Brandsätzen beworfen worden. Die Angreifer hätten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert, die mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Menge vorgegangen sei.

Nach Angaben von Ärzten wurden bei den Unruhen in Suez mindestens 70 Menschen, darunter 55 Demonstranten, verletzt. Auch 15 Polizisten hätten durch Steinwürfe der Demonstranten Verletzungen erlitten. Bei den landesweiten Protesten gegen die Regierung kamen bislang mindestens vier Menschen ums Leben.

Regierung will neue Proteste im Keim ersticken

Mit der Massenfestnahme von Demonstranten versucht die ägyptische Regierung, ein Anwachsen der Protestbewegung zu verhindern. Einen Tag nach den größten Demonstrationen seit Jahren ging die Führung am Mittwoch rigoros gegen Regierungsgegner vor. Mindestens 860 Demonstranten wurden festgenommen, wie aus Sicherheitskreisen verlautete.

Allein knapp 600 Demonstranten wurden den Angaben zufolge in Kairo verhaftet. Nicht allen Demonstranten drohe eine strafrechtliche Verfolgung, einige würden nach Befragung durch die Polizei wieder auf freien Fuß gesetzt, hieß es. Am Dienstag hatte es in Ägypten die größten Proteste seit Jahren gegeben. Die Demonstranten forderten Präsident Husni Mubarak zum Rücktritt auf.

Nach Beginn der Dämmerung zogen über 2.000 Demonstranten auf einem großen Boulevard in Kairo entlang. Dutzende Polizisten stellten sich ihnen entgegen. Auch vorher hatten sich im Tagesverlauf immer wieder ähnliche Szenen abgespielt. Proteste wurden außerdem aus Suez und Assuan gemeldet.

Hartes Vorgehen

In Suez versammelten sich etwa 1.000 Menschen vor dem Leichenschauhaus und forderten die Herausgabe eines toten Demonstranten, der tags zuvor bei den schweren Zusammenstößen mit der Polizei ums Leben gekommen war. In Assiut ging die Polizei nach Augenzeugenberichten mit Schlagstöcken gegen etwa 100 Demonstranten vor und nahm etwa die Hälfte von ihnen fest.

Das wichtigste Kommunikationsmittel der Oppositionellen, das Soziale Netzwerk Facebook, schien teilweise blockiert zu werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief die ägyptische Regierung ungewöhnlich deutlich zur Achtung der Menschenrechte auf.

Zugleich forderte Westerwelle in Berlin alle Beteiligten an den jüngsten Unruhen zu Gewaltverzicht und Zurückhaltung auf. Die Menschen- und Bürgerrechte müssten von allen respektiert werden. Wer sie seinem Volk verweigere, riskiere die Instabilität seiner Gesellschaft. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton sagte in Brüssel: „Wir fordern die ägyptischen Stellen auf, die Rechte der Ägypter zu respektieren und den Wünschen der Bevölkerung Gehör zu schenken.“

Polizei will keine Versammlungen tolerieren

Im Internet nannten Oppositionelle mehrere Orte in Kairo und anderen Städten, an denen sich Demonstranten versammeln sollten. „Ganz Ägypten muss sich bewegen, zu einem festen Zeitpunkt“, hieß es. Die Regierung brachte allerdings tausende Polizisten allein in der Hauptstadt in Stellung. Die Beamten bewachten die Brücken über den Nil, große Straßenkreuzungen und Plätze, das Gebäude des staatlichen Fernsehens und den Sitz der regierenden Nationaldemokratischen Partei.

Das Innenministerium erklärte in einer Stellungnahme, die Polizei werde keine Versammlungen, Märsche oder Proteste tolerieren. Trotzdem kamen Dutzende Demonstranten vor dem Gebäude der Journalistengewerkschaft in der Innenstadt zusammen. Sie forderten Mubarak zum Rücktritt auf. Als Polizisten die Menge mit Gewalt auflöste, Teilnehmer verprügelte und festnahm, riefen die Demonstranten: „Friedlich, friedlich“.

Bereits am Dienstag waren bis zu 200 Demonstranten festgenommen worden. Bei den Protesten waren zwei Demonstranten und ein Polizist getötet worden. Ein dritter Demonstrant erlag am Mittwoch seinen Verletzungen.

USA rufen beide Seiten zu Gewaltverzicht auf

Deutlich zurückhaltender als die deutsche Regierung und die Europäische Union äußerten sich die USA zu den Protesten in Ägypten, das zu den wichtigsten amerikanischen Verbündeten in der arabischen Welt zählt. Außenministerin Hillary Clinton rief die Regierung und deren Kritiker zum Gewaltverzicht auf. Sie erklärte jedoch auch, Ägypten habe eine große Chance, wirtschaftliche, politische und soziale Reformen einzuleiten. Gleichzeitig sprach sie der Führung in Kairo ihr Vertrauen aus. Die Regierung von Präsident Mubarak sei stabil und tue ihr bestes, den Forderungen der Demonstranten entgegenzukommen. US-Außenministerin Hillary Clinton

Der ägyptische Aktienmarkt brach nach den Protesten um fünf Prozent ein. Der Index EGX30 fiel auf 6.386,78 Punkte, das war der stärkste Einbruch seit Mai 2010. Seit Beginn dieses Jahres gab der Index damit schon um mehr als zehn Prozent nach.

Keine Reisewarnung des Auswärtigen Amts

Das Auswärtige Amt behielt trotz der Proteste seine bisherigen Sicherheitshinweise für Urlauber bei. Es gebe keine Reisewarnungen für das Land, sagte ein Sprecher auf dapd-Anfrage. Touristen werde jedoch empfohlen, Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig zu meiden und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam zu verfolgen. (afp/dapd)