Berlin. .

Im Dioxin-Skandal hat Verbraucherministerin Aigner ihren Aktionsplan für schärfere Futtermittelkontrollen vorgestellt. Dabei versicherte sie, es bestehe keine Gesundheitsgefahr für Verbraucher. NRW wirft Aigner verspäteten Aktionismus vor.

Im Dioxin-Skandal hat Bundesministerin Ilse Aigner die Verbraucher erneut beruhigt. „Dass die Verbraucher verunsicohert sind, kann ich nachvollziehen“, sagte die CSU-Politikerin am Freitag in Berlin. Doch seien inzwischen alle potenziell belasteten Produkte gesperrt. „Es kommt nichts mehr Neues auf den Markt.“

Selbst wenn jemand belastete Eier oder Schweinefleisch gegessen haben sollte, bestehe keine Gesundheitsgefahr, versicherte Aigner. Die Grenzwerte für Dioxin seien so niedrig, dass auch eine dauerhafte Aufnahme solch kleiner Menge nicht schädlich sei. Trotzdem sei eine Dioxin-Belastung „nicht völlig irrelevant“, räumte die Ministerin ein.

„Keine unmittelbare Gesundheitsbelastung“

Ihr Abteilungsleiter Bernhard Kühnle rechnete vor, dass bei etwa 20 Prozent der getesteten Eier von dioxinbelasteten Höfen der zulässige Höchstwert überschritten worden sei - zum Teil bis zum Vierfachen. In zwei Fällen seien Grenzwertüberschreitungen beim Fleisch konstatiert worden und zwar um das 1,1- bis 1,5-Fache. „Es ist also sehr, sehr unwahrscheinlich, dass Verbraucher kontinuierlich über den Zeitraum der letzten Monate belastete Ware gegessen haben“, sagte der Experte. Aber „selbst wenn das so wäre, bewirkt das keine unmittelbare Gesundheitsbelastung“.

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Von DerWesten

Das gelte auch für Kinder. Die Grenzwerte seien nach ihnen ausgerichtet. „Selbstverständlich sollte ein Säugling nicht lebenslang solche Werte aufnehmen“, sagte Kühnle und fügte hinzu: „Aber niemand ist lebenslang ein Säugling.“

Futterhersteller sollen Produkthaftpflicht abschließen

Für die Futtermittelindustrie soll künftig eine neue Versicherungspflicht gelten. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner kündigte an, Futtermittelhersteller müssten demnächst eine Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung abschließen. Alternativ dazu könne eine gleichwertige Absicherung des Haftungsrisikos nachgewiesen werden. Außerdem sollen als Konsequenz aus dem Skandal um dioxinverseuchtes Futtermittel künftig nicht mehr Futterfette und Industriefette in den gleichen Anlagen hergestellt werden. Die Zulassung von Futterfett-Herstellern soll an strengere Auflagen wie nachvollziehbare Eigenkontrollen geknüpft werden.

NRW wirft Aigner verspäteten Aktionismus vor

NRW hat den vorgelegten Aktionsplan gegen Dioxin in Lebensmitteln als verspätet und unzureichend kritisiert. „Aigner setzt ihre Politik der letzten Wochen fort: zuerst abtauchen, dann verharmlosen und jetzt in einen orientierungslosen Aktionismus verfallen“, sagte NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) am Freitag in Düsseldorf.

„Wenn das alles ist, brauchen wir keine Bundesverbraucherschutzministerin. Das schaffen die Länder auch alleine“, sagte Remmel. Der Grünen-Politiker hatte bereits Anfang Januar ein Handlungskonzept für eine „grüne“ und sichere Landwirtschaft vorgelegt. Remmels Plan sieht die Einführung einer Positivliste vor. Sie soll vorschreiben, welche Stoffe bei der Tierfütterung eingesetzt werden dürfen. Zudem will Remmel im Futtermittelrecht eine strikte Trennung der Produktströme verankern. So soll verhindert werden, dass technische Fette in die Lebensmittelkette gelangen können.

Weitere Punkte des NRW-Konzepts sind die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Futtermittelhersteller, eine behördliche Zulassungspflicht für Fett verarbeitende Betriebe sowie verstärkte Eigenkontrollen der Unternehmen.

Außerdem will Remmel die amtlichen Kontrollen verstärken, die regionale Vermarktung von Lebensmitteln stärken und die Öko-Landwirtschaft ausbauen. Verbraucher sollen besser und schneller über Lebensmittel und ihre Herstellung informiert werden.

Aigner verteidigt Krisenmanagement gegen Kritik der Opposition

Ihr Krisenmanagement im Dioxin-Skandal hat Aigner gegen Kritik der Opposition verteidigt. „Abseits der schrillen Töne der vergangenen Tage sind die meisten meiner Vorschläge auch bei der Opposition auf Zustimmung gestoßen“, sagte die CSU-Politikerin am Freitag in Berlin. Nach den Grünen habe auch die SPD ihre Ideen zur Krisenbewältigung übernommen. Sie erwarte nun ein rasches Vorgehen auch mit Unterstützung der Länder im Bundesrat.

Berichte, wonach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unzufrieden mit ihr sei, wies sie zurück. „Das stimmt nicht“, sagte Aigner. Vielmehr habe die Kanzlerin ihren Aktionsplan zur Bewältigung der Krise ausdrücklich gebilligt.

„Rasche Konsequenzen“

Beim jüngsten Dioxin-Eintrag handele es sich offensichtlich um einen kriminellen Akt. „Der Fall muss spürbare und rasche Konsequenzen haben“, sagte die CSU-Politikerin der „Passauer Neuen Presse“. Die gesamte Futtermittelkette sei auf den Prüfstand zu stellen und die Standards zu vereinheitlichen.

Aigner hat bereits angekündigt, dass sie im nationalen Alleingang die Anforderungen an Unternehmen verschärfen will, die Rohstoffe für Futtermittel liefern. Europaweit soll durchgesetzt werden, dass Futterfette nicht in Anlagen hergestellt werden dürfen, die auch Industriefette produzieren.

Darüber hinaus soll geprüft werden, wie die Überwachung der Dioxin-Belastung von Futtermitteln verbessert werden kann. In der EU will sich die Ministerin für eine Positivliste einsetzen, die festlegt, was in Viehfutter drin sein darf. Auch wird möglicherweise der Strafrahmen erweitert. Derzeit reicht er von Bußgeldern bis hin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Aigner fordert harte Gangart gegen Futtermittel-Panscher

Bei der Aufklärung des Dioxin-Skandals sieht Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) vor allem die Bundesländer in der Pflicht. „Die Länder sind hier in der Pflicht zur Aufklärung und weiter mit Hochdruck an der Arbeit“, sagte Aigner der „Passauer Neuen Presse“. Belastete Produkte aus gesperrten Höfen müssten „sofort und unverzüglich vom Markt genommen werden“. Lebensmittel von vorsorglich gesperrten Betrieben dürften nur dann wieder in den Handel, wenn diese Betriebe nach Abschluss aller Untersuchungen von den zuständigen Behörden vor Ort freigegeben worden seien.

„Die bisher ermittelten Dioxingehalte für Eier und Fleisch liegen bei einigen Proben zwar über dem Grenzwert, stellen aber nach Einschätzung unabhängiger Experten keine unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigung für Verbraucher dar“, sagte Aigner weiter.

Von der Justiz erwartet die Ministerin eine harte Gangart gegen die Verantwortlichen für Panscherei mit Futtermitteln. Den „Ruhr Nachrichten „ sagte sie: „Wer skrupellos Futtermittel panscht und mit der Gesundheit der Menschen spielt, muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.“ Natürlich müsse die Justiz den Strafrahmen auch ausschöpfen.

Gewerkschaft will Informantenschutz für Arbeitnehmer

Als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal verlangt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) einen verbesserten Schutz für Tippgeber. „Wir brauchen einen Informantenschutz für Arbeitnehmer“, sagte NGG-Chef Franz-Josef Möllenberg der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ laut Vorabbericht. „Jeder Arbeit- und Auftraggeber wird sich künftig dreimal überlegen, ob er Mitarbeiter zu kriminellen Handlungen zwingt, wenn er Gefahr läuft, angezeigt zu werden.“

Möllenberg kritisierte, das geltende Recht schütze Arbeitnehmer als Informanten nicht. Tippgeber setzten ihre berufliche Existenz aufs Spiel. „Ich will zwar kein Denunziantentum. Aber Giftmischer haben in der Lebensmittelbranche nichts zu suchen und müssen hart bestraft werden“, sagte er.

Der Gewerkschaftschef forderte, ein Informantenschutz müsse im Verbraucherinformationsgesetz verankert werden. „Wenn ein Informant aber selbst dann noch seinen Job verliert, nur weil er einen Tipp gegeben hat, muss eine Entschädigung von bis zu 18 Monatsentgelten fällig werden“, sagte Möllenberg. Die Futtermittelindustrie täte gut daran, wenn sie an einem Selbstreinigungsprozess in der Branche mitarbeite.

Möllenberg kritisierte Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU). Die Ministerin wisse nicht, was sie wolle. „Sie schwankt zwischen Verharmlosung und Hysterie. Aber es ist keine klare Linie erkennbar“, monierte Möllenberg. Im Dioxin-Skandal habe vor allem das staatliche Kontrollsystem versagt. Aigner steht wegen des Dioxin-Skandals politisch unter Druck. Die Opposition wirft ihr vor, zu lange nichts unternommen zu haben. (dapd/afp/rtr)