Berlin. .

Das Bundeskabinett hat erstmals ein Datum für den angestrebten Beginn des Truppenabzuges beschlossen. In der Bundesregierung hatte vor allem Außenminister Westerwelle darauf gedrängt, den Beginn des Abzugs festzuschreiben.

Die ersten deutschen Soldaten sollen nach Willen der Bundesregierung möglichst schon Ende 2011 aus Afghanistan abziehen. Das sieht das am Mittwoch vom Kabinett in Berlin beschlossene neue Bundeswehrmandat vor. Der Beginn des Rückzugs steht aber unter dem Vorbehalt, dass die Sicherheitslage dies erlaubt. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass Deutschland ab 2014 keine Kampftruppen mehr am Hindukusch stellen muss.

Die personelle Obergrenze der deutschen Beteiligung am internationalen ISAF-Einsatz soll weiter bei 5.350 Soldaten liegen, davon sind 350 als flexible Reserve vorgesehen. Derzeit beteiligen sich rund 4.600 Bundeswehrsoldaten an der Mission am Hindukusch. Am 28. Januar wird der Bundestag über die Verlängerung des Mandats bis zum 31. Januar 2012 abstimmen. Da die SPD bereits ihr Ja signalisiert hat, gilt eine breite Mehrheit für eine Fortsetzung des Einsatzes als sicher.

Außenminister Guido Westerwelle rechtfertigte den Entschluss, den Rückzug ab Ende 2011 festzuschreiben. „Dieser Fahrplan hat ein klares Ziel“, sagte der FDP-Politiker. Es gehe auch darum, für „Disziplin und Ehrgeiz“ zu sorgen, damit die afghanische Regierung ihre Aufgaben erledige und einen vollständigen Abzug der Kampftruppen bis 2014 ermögliche. Die deutschen Soldaten sollten nicht länger am Hindukusch sein als unbedingt nötig.

Spielräume nutzen

Der Vizekanzler sprach sich dafür aus, jeden sicherheitspolitisch verantwortbaren Spielraum für die Rückführung des Bundeswehrkontingents zu nutzen. Eine konkrete Zahl wollte er nicht nennen. Bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres soll in ersten Regionen die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben werden. Laut Mandat wird die „Übergabedividende“ zunächst „in die Vorbereitung noch nicht übergabereifer Gebiete“ reinvestiert. Das bedeutet: Internationale Streitkräfte, die durch die Übergabe einzelner Distrikte an die Afghanen entlastet werden, könnten für einige Zeit in den unruhigeren Regionen ihres Verantwortungsbereichs eingesetzt werden.

Westerwelle versicherte, der Abzug werde nicht „kopflos“ eingeleitet. „Natürlich wäre nichts gewonnen, wenn man im Jahr 2014 zurückfallen würde in Zeiten, in denen Afghanistan Rückzugsgebiet des Weltterrorismus gewesen ist.“ Zugleich appellierte er an die Opposition, einer Verlängerung zuzustimmen. Eine breite Zustimmung „wäre ein Ausdruck der Solidarität der Abgeordneten mit den Frauen und Männern der Bundeswehr“, die am Hindukusch einen gefährlichen und entbehrungsreichen Einsatz leisteten. Seit Beginn des Einsatzes sind in Afghanistan 45 deutsche Soldaten ums Leben gekommen, 27 von ihnen starben bei Anschlägen und Gefechten.

Abzugs-Start in Faisabad

Der Verteidigungsexperte der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, verlangte, den Abzug aus Afghanistan mit einer glaubwürdig großen Zahl von deutschen Soldaten zu beginnen. Im Südwestrundfunk sagte er, im Norden Afghanistans gebe es Provinzen, wo die Übergabe an einheimische Sicherheitskräfte inzwischen möglich sei. Wenn in diesem Jahr von den derzeit rund 400 Bundeswehrsoldaten in der Provinz Faisabad „ein großer Teil“, möglicherweise sogar „mehr als die Hälfte“ nach Deutschland zurückkehren könnten, sei das „ein eindeutiger Einstieg“.

Die Grünen werden der Mandatsverlängerung im Gegensatz zu den Sozialdemokraten wohl nicht zustimmen. Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte im Deutschlandfunk, die Regierungspläne seien „nicht zustimmungsfähig“, weil der angestrebte Abzugstermin zu vage bleibe. Viele NATO-Partner wie Polen, Schweden und Italien hätten sich ganz klar festgelegt, nur die deutsche Position bleibe „windelweich“ und gleiche einem „entschiedenen Sowohl-als-auch“, kritisierte er.

Der Linke-Verteidigungsexperte Paul Schäfer bezeichnete die Regierungspläne als „Roadmap in den Bürgerkrieg“. Schwarz-Gelb setze darauf, „dass sich ein gesichtswahrender Rückzug der NATO-Truppen mit dem Aufbau einer überdimensionierten, extern finanzierten, afghanischen Armee“ erreichen lasse. Ohne eine bessere Regierungsführung und mehr zivilem Aufbau werde es aber keine friedliche Zukunft geben. (dapd/rtr)