Essen. .

Organspende rettet Le­ben. Das ist bekannt. Warum sich das Gros der Menschen trotz zahlreicher Appelle stark zurückhält, habe viel mit Angst zu tun, sagen Experten. Oder besser: mit Ängsten.

Die Angst, dass man für tot erklärt wird, obwohl man noch leben könnte, sei wohl die größte, sagt Dr. Matthias Heuer, stellvertretender Transplantationsbeauftragter an der Uniklinik Essen. „Niemals aber würde man eine Be­handlung unterlassen, nur weil man auf das Organ hofft.“

Heuer weiß, dass es bei Fragen um Leben und Tod nicht nur um Fakten geht. Und so reiche auch ein Organspende-Ausweis nicht, um klar zu sagen: Patient tot, Organe frei. „Nur wenn die Angehörigen einverstanden sind, werden die Organe freigegeben.“ Das sei bundesweit so, sagt Heuer. „Wir würden uns nie gegen die Überzeugung einer trauernden Verwandtschaft stellen.“ Der Ausweis sei aber für die Verwandten eine große Entscheidungshilfe.

Organe können entnommen werden, wenn der Hirntod festgestellt wurde

Deshalb sei die Situation auf der Intensivstation immer höchst sensibel. Besonders, wenn kein Organspende-Ausweis vorliegt, was zur Hälfte der Fall sei. Angehörige könnten nur sehr schwer verstehen, dass jemand, der lebendig aussieht, eigentlich tot ist.

In Deutschland können Or­gane dann entnommen werden, wenn der Hirntod festgestellt wurde. So hat es die Bundesärztekammer 1982 festgelegt. Beim Hirntod seien im Unterschied zum Koma alle Hirnfunktionen unwiderruflich erloschen. In einem aufwendigen Verfahren prüfen zwei von einander unabhängige Ärzte über zwölf Stunden, ob der Hirntod eingetreten ist. Das Fehlen der Hirnströme (EEG) oder der Reflexe sind einige der vielen Hinweise. Würden jetzt nicht Apparate angeschlossen, würden die Pa­tienten sterben.

Großer Zeitdruck

Doch weil nur frische Organe Leben retten, werden die hirntoten Patienten beatmet, sie erhalten Nährlösungen und Hormone. Das Herz schlägt, die Nieren arbeiten. Zwar sei noch nie jemand durch diese intensivmedizinische Therapie wieder lebendig geworden, so Heuer. Aber es sei dazu gekommen, dass die Schwangerschaft einer hirntoten Frau weitergeführt werden konnte. Wobei es später doch zu einem Abort kam.

Dr. Gernot Kaiser, Transplantationsbeauftrager am Es­sener Klinikum, sagt, dass er die Angehörigen verstehen kann, wenn sie irritiert sind, einen Menschen, der aussieht, als ob er nur sanft schläft, zur Organentnahme freizugeben.

„Wir arbeiten nicht mit Frankensteinnähten wie bei Quincy“

„Eine ungeheuerliche Situation: Ich wende mich von meinem Kind ab, das warm ist, lebendig aussieht und behandelt wird wie ein Lebender, weil der Arzt sagt, mein Kind ist tot“, sagt Renate Greinert von der Organisation „Kritische Aufklärung über Organtransplantation“. Wie „ein Recycling-Objekt“ habe man ihren Sohn in Hannover be­handelt. Viele klagen, dass man in Kliniken großen Druck ausübe. Kaiser sagt, dass man den Menschen in Essen viel Zeit lasse, selbst wenn es schnell gehen muss. Nach der Hirntod-Diagnostik kommt ein Team der Deutschen Stiftung Organtransplantation in die Klinik. Bevor Herz, Leber, Niere entfernt werden, werden sie schnellstmöglich Eurotransplant angeboten. Es ist die Zentralstelle, die die Organe verteilt.

Organtransplantation ba­siert auf professioneller Arbeit der Spezialisten, die sich Mü­he geben, alle Details zu erklären, um Ängste abzubauen. Auch die vor einem versehrten Körper. „Wir arbeiten nach al­len Regeln der chirurgischen Kunst“, sagt Heuer. „Mit Hautklammernähten und nicht mit Frankensteinnähten wie bei Quincy.“