Düsseldorf. .

Die Menge an Futterfett, die mit Dioxin verseucht ist, ist höher als ursprünglich angenommen. Nach einem Bericht der Bundesregierung handele es sich nicht um 2500 Tonnen, sondern um 3000. Andere EU-Staaten hätten kein verseuchtes Futter erhalten.

Der Skandal um Dioxin in Futtermitteln hat ein größeres Ausmaß als zunächst angenommen. Nach einem der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorliegenden Bericht der Bundesregierung produzierte der Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein zwischen dem 12. November und dem 23. Dezember 3000 Tonnen Futterfett unter Verwendung technischer Mischfette, die zumindest in Teilen mit dem krebserregenden Dioxin verseucht waren. Am Dienstag hatte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium angegeben, der Betrieb habe rund 500 Tonnen Futterfett unter Verwendung der unter anderem für die Papierherstellung benötigten Industriefette hergestellt.

Nach dem dreiseitigen Bericht für den Agrar-Ausschuss des Bundestages bezog der Futterfett-Hersteller in Uetersen zwischen dem 11. November und dem 16. Dezember sieben Partien technischer Fette vom Biodieselhersteller Petrotec in Emden. Die Fette wurden mit anderen Stoffen zu Futterfett verarbeitet und an 25 Mischfutterhersteller für die Herstellung von Futter für Legehennen, Mastgeflügel und Schweine geliefert. Über die von diesen 25 Futtermittelproduzenten belieferten über 1000 landwirtschaftlichen Betriebe wurde ein Handelsverbot verhängt.

Nach dem Bericht der Bundesregierung ist kein Futterfett oder fertiges Tierfutter aus den betroffenen Unternehmen in andere EU-Staaten exportiert worden.

Unterdessen setzt die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal um verseuchtes Hühnerfutter auf mehr Bio-Höfe. Die Agrarstrukturen seien auf den Prüfstand zu stellen, sagte NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne). Das Verbraucherministerium des Landes hat nach Angaben eines Sprechers bei der Europäischen Union bereits die Zustimmung für eine Erhöhung der Bio-Förderung beantragt, wie die in Bielefeld erscheinende Tageszeitung „Neue Westfälische“ berichtet. Verstärkt gefördert werden sollen Betriebe, die auf den alternativen Anbau umstellen.

Verbraucherschützer fordern Politik zum Handeln auf

Die Höfe müssen während der zweijährigen Übergangszeit nach Bio-Kriterien arbeiten, ihre kleiner ausfallende Ernte muss allerdings konventionell und damit zu einem geringeren Preis vermarktet werden. Hier soll die Unterstützung wieder erhöht werden. Gegenwärtig werden während des zweijährigen Umstellungszeitraums rund 324 Euro pro Hektar Fläche gezahlt. Die Förderung soll offenbar auf das Niveau von 400 Euro je Hektar ansteigen. Dagegen sollen die Zahlungen, die Höfe für die Beibehaltung des alternativen Anbaus erhalten, stabil bei 180 Euro je Hektar liegen.

Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen, fordert nach dem Bekanntwerden des jüngsten Dioxin-Skandals die Politik zum Handeln auf: „Es wäre jetzt an den Landesverbraucherministern, die Namen der betroffenen Betriebe und Hersteller zu veröffentlichen und so die Verbraucher zu warnen“, sagte Billen der „Passauer Neuen Presse“ vom Mittwoch. Die Daten lägen vor und müssten jetzt öffentlich gemacht werden.

Auch in Sachen Kontrolle sieht er Defizite. „Wir benötigen mehr und schärfere Kontrollen bei den Futtermitteln“, sagte Billen weiter. Mehr Ladungen müssten kontrolliert werden. Dass eindeutig für technische Zwecke deklarierte Fettsäuren in Futtermittel landen, offenbare eine Schwachstelle. „Es muss schleunigst geklärt werden, ob Fahrlässigkeit oder Vorsatz im Spiel war“, forderte Billen.

Generell beanstandete der Verbraucherschützer überindustrialisierte Tierhaltung. Der Preisdruck erhöhe die Gefahr, dass die Qualität auf der Strecke bleibe und zum Beispiel auch bei Futtermitteln gespart und gegebenenfalls getrickst werde. „In der Vergangenheit ist bereits Klärschlamm an Ferkel verfüttert worden. Und wenn jetzt Fett aus der Biodieselproduktion in Futter wandert, dann ist das auch nichts anderes als Abfallverwertung“, kritisierte Billen.

FDP gibt Widerstand gegen mehr Kontrollen auf

Die FDP gibt ihren Widerstand gegen mehr Kontrollen in der Lebensmittelproduktion auf und plädiert als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal für eine Zertifizierung der Futtermittelherstellung. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Agrar- und Verbraucherschutzpolitik Hans-Michael Goldmann sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Für mich als Liberalen ist das enttäuschend. Ich hatte gehofft, dass alle Betriebe selbst und nicht erst nachträglich die öffentliche Hand für Sicherheit sorgen.“

Wenn es eine größere Chance zur Vermeidung von Schäden geben solle, müssten bessere staatliche Kontrollen her. Er trete dafür ein, den ganzen Prozess der Futtermittelproduktion zu „zertifizieren“. Man müsse jederzeit rückverfolgen können, dass die jeweiligen Zutaten sauber seien. „Dabei sind staatliche Stellen einzubinden, die regelmäßig den Prozess überwachen“, ergänzte der FDP-Politiker.

Auch über die Absicherung der Haftungsrisiken sei zu reden, fügte Goldmann hinzu. „Es muss bei diesen Unternehmen ein Haftungsszenario zugrunde gelegt werden, das solche Situationen einschließt.“

Sondertreffen der Agrarminister

Insgesamt werden die Rufe nach schnellen Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal lauter. Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) kündigte ein Sondertreffen der Agrarminister der Länder noch im Januar an und forderte härtere Strafen für die „Scharlatane der Branche“. Die Ernährungsindustrie verlangte, es müsse rasch alles unternommen werden, damit sich solch ein Fall nicht wiederhole.

Die Agrarminister der Länder würden am Rande der Grünen Woche in Berlin über Folgen aus dem Dioxinskandal beraten, sagte Reinholz, der Vorsitzender der Agrarministerkonferenz ist, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Notwendig seien „in erster Linie deutlich schärferer Strafen bei Verstößen gegen das Lebens- und Futtermittelrecht“. Nur mit harten, abschreckenden Sanktionen seien schwarze Schafe in der Branche zu beeindrucken. Bisher drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden.

Aufklärung gefordert

Bei dem Treffen der Minister auf der Grünen Woche, die vom 21. bis 30. Januar geht, werde es zudem darum gehen, den Informationsaustausch zwischen den Ländern weiter zu verbessern und die Spielregeln für den Vertrieb von Futtermitteln zu verschärfen, sagte Reinholz weiter. Bei den Kontrollen der Futter- und Lebensmittelbranche sieht er hingegen keinen Handlungsbedarf. „Das Kontrollniveau ist bereits sehr hoch.“

Der Deutsche Bauernverband begrüßte die Ankündigung von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), die Regeln für die Zulassungsbedingungen von Futtermittellieferanten zu überprüfen. „Betriebe, die technische Fette herstellen, müssen vollständig ausgeschlossen werden von Lieferungen in den Futter- und Nahrungsmittelbereich“, sagte der Generalsekretär des Verbandes, Helmut Born, der „Passauer Neuen Presse“.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) verurteile „in schärfster Form jede Verwendung unzulässiger Bestandteile in der Futtermittelproduktion“, sagte ihr Vorsitzende Jürgen Abraham der „Bild“-Zeitung. Verstöße gegen geltendes Recht müssten „umfassend aufgeklärt und bestraft werden“.

„Außerordentlich hohe“ Dioxin-Belastung

Verbraucherschützer des Landes Niedersachsen hätten eine „außerordentlich hohe“ Dioxin-Belastung des in den Handel gelangten Tierfutters festgestellt, berichtete die „Hannoversche Allgemeinen Zeitung“ unter Berufung auf das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (Laves). In einer Probe seien 123 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Fett ermittelt worden. (dapd/ afp/rtr)