Berlin. .

Beim Dreikönigs-Treffen der FDP am Donnerstag dreht sich alles um die Position von Parteichef Westerwelle. Es müsste aber um eine andere Frage gehen, meint Kommentator Dirk Hautkapp: Wozu braucht es noch einen Mehrheitsbeschaffer-Liberalismus?

Selbst wenn es Guido Westerwelle am Donnerstag in Stuttgart gelingen sollte, sich und die FDP aus der Position des Kollabierten in eine halbwegs stabile Seitenlage zu reden - erneut umkippen werden die Liberalen so oder so. Auch dann, wenn die in Aufruhr stehende Partei Westerwelle nach den intern vielerorts schon so gut wie verloren gegebenen Wahlen im Frühjahr die Freiheit zum selbst gestalteten Abgang gewähren und im Mai eine neue Führung installieren sollte. Der Nachfolger stünde vor einem Problem-Berg, dem sich selbst Sisyphos verweigern würde.

Überheblichkeit des Ober-Liberalen

WAZ-Berlin-Korrespondent: Dirk Hautkapp. (Foto: von Born)
WAZ-Berlin-Korrespondent: Dirk Hautkapp. (Foto: von Born) © uvb / NRZ

Image, Ausstrahlung und Darbietung der FDP haben seit Herbst 2009 in einem Ausmaß gelitten, das hierzulande keinen Vergleich kennt. Was an einem grundsätzlichen Missverständnis liegt. Guido Westerwelle hat geglaubt, jene rund 15 Prozent Wählerstimmen, die Deutschland Schwarz-Gelb bescherten, seien Ausdruck einer Sehnsucht nach der „geistig-politischen Wende“, die der Ober-Liberale so gerne einleiten würde. Was für eine Überheblichkeit. Was für ein Irrtum.

Eigennützig orientierten Wechselwählern erschien allein die steuersenkungspolitische Auslage im FDP-Schaufenster attraktiv. Als sie sich als Attrappe entpuppte, an der die FDP gleichwohl bis heute festhält wie ein Ertrinkender an der Planke, wandte sich das ebenso anspruchsvolle wie flüchtige Publikum enttäuscht ab und sprach von einem Versehen an der Wahlurne. Eine neue Wählerschaft ist aber nirgends in Sicht.

Der Wähler will wissen, was er bei der FDP bekommt

Die Aussicht auf einen programmatisch sensibel erweiterten, „mitfühlenden Liberalismus“, wie sie die jungen Erneuerer um Generalsekretär Christian Lindner erzeugen wollen, mag für Politikwissenschaft und Talkshows gewiss auskömmlichen Stoff bieten. Der normale Wähler hat es nicht so mit den großen politischen Erzählungen. Er möchte lebensnah erkennen, was er - eben nur dann - bekommt, wenn er FDP wählt. Hier werden die Antworten der Liberalen immer schmallippiger und ungefährer.

Für mehr Offenheit und Flexibilität bei Bürgerrechten, Bildung und den Lebenschancen allgemein, für Schlüsselwerte wie Fairness, Solidarität, Nachhaltigkeit und Teilhabe finden sich bei CDU/CSU, SPD und Grünen hinlänglich glaubhafte Anhaltspunkte; manchmal auch glaubhaftere. Wozu braucht es da noch einen konservativ, sozialdemokratisch oder bürgerlich-ökologisch angehauchten Mehrheitsbeschaffer-Liberalismus? Noch dazu einen, der, wenn er denn schon mal nach Jahren der erzwungenen Abstinenz Macht auf Zeit geliehen bekommt, damit erwiesenermaßen nicht gewinnbringend und vernünftig umgehen kann.

Beim Dreikönigstreffen ist für dieses Grund-Dilemma der FDP leider weder Zeit noch Raum vorgesehen. Die Diskussion darüber wäre bei weitem lohnender als die erwartbare Analyse-Flut der Rede von Guido Westerwelle.