Hannover.

Der Dioxin-Skandal weitet sich immer mehr aus. Neben NRW sind auch Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen betroffen. In NRW werden aus Vorsichtsgründen 8000 Hühner getötet. Weitere Höfe könnten betroffen sein.

Der Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter weitet sich aus. In mehreren Bundesländern wurden Betriebe geschlossen, allein 1000 in Niedersachsen; zudem ermittelt die Justiz. Ein Großteil der betroffenen Länder verabredete am Montag, jeden landwirtschaftlichen Betrieb vorsorglich zu sperren, der das mit dem Umweltgift verseuchte Futter möglicherweise erhalten habe, wie ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums sagte. Dies betreffe in Niedersachsen rund 1000 konventionelle Betriebe und gelte für Legehennen-, Puten- und Schweinemasthöfe. Bio-Bauernhöfe bekamen das belastete Futter demzufolge nicht. Die Staatsanwaltschaft im schleswig-holsteinischen Itzehoe nahm Ermittlungen auf, Verbraucherschützer forderten einen besseren Schutz der Konsumenten.

Nach Informationen der Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe sind nicht nur einzelne Höfe, sondern auch drei Mischfutter-Hersteller aus NRW mit den gepanschten Produkten einer Firma aus Schleswig-Holstein beliefert worden. Experten rechnen jetzt damit, dass sich die Zahl der betroffenen Betriebe erheblich erhöhen wird. Es geht auch nicht mehr allein um die Geflügel-, sondern auch um die Schweinemast.

400.000 Eier am Tag produziert

Verbraucher müssen dem NRW-Umweltministerium zufolge davon ausgehen, dass bereits mehrere Millionen giftige Eier in den Handel gelangt sind. Allein die 20 bislang betroffenen Betriebe in Niedersachsen hätten bis zu 400.000 Eier am Tag produziert.

„Dioxin ist in allem und überall“

Die Organisation Foodwatch kritisiert zu lasche Grenzwerte und fordert schärfere Kontrollen. Mehr Infos hier.

Dioxin gilt als krebserregend. Mit dem Gift verunreinigte Futter- oder Lebensmittel waren in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg gefunden worden. Das Futter stammt von dem Futtermittelproduzenten Harles & Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein. Das Unternehmen bekam nach eigenen Angaben über einen niederländischen Händler dioxinbelastete Mischfettsäure geliefert. Sein Unternehmen sei zunächst von einem Einzelfall ausgegangen, sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert. „Mittlerweile vermuten wir jedoch, dass eventuell auch weitere Partien mit Dioxinen verunreinigt sind.“

Ware stammt aus Schleswig-Holstein

Die Ware selbst stamme von einer Biodiesel-Anlage der Petrotec AG im niedersächsischen Emden, sagte Sievert. Sie sei von dort direkt an einen Verarbeitungsbetrieb in Bösel geliefert worden, der sie zur Herstellung sogenannter Futterfett-Rohware eingesetzt habe. Am 23. Dezember sei die Belastung dann bei einer Routinekontrolle aufgefallen.

Die Firma Petrotec mit Sitz im nordrhein-westfälischen Borken wies die Vorwürfe zurück. Die Ware sei „nur zur technischen Verwendung“ ausgeliefert worden, sagte Michael Fiedler-Panajotopoulos von Petrotec. Man kooperiere mit den Behörden und wolle den Fall vollständig aufklären. In Hamburg stellte ein Futtermittelhersteller die Verarbeitung einer Fettcharge ein, die er aus Schleswig-Holstein erhalten hatte.

8000 Hennen in NRW vorsorglich getötet

In Niedersachsen wurden als Konsequenz der Giftfunde 34 Proben aus Legehennenbetrieben genommen, die derzeit im Landesamt für Verbraucherschutz untersucht werden, wie der Ministeriumssprecher sagte. Davon stünden bislang 18 Ergebnisse fest, eine der Proben weise einen zu hohen Wert an Dioxin auf. Der Sprecher prangerte schwere Versäumnisse des Herstellers an. Die Verunreinigung des Hühnerfutters mit Dioxin sei offenbar nicht durch einmaliges menschliches Versagen verursacht worden. Es könne sein, dass das Fett etwa sechs Wochen lang verunreinigt worden sei.

Im nordrhein-westfälischen Kreis Soest ordneten die Behörden die Tötung von rund 8000 Legehennen an. Die Tiere seien als Vorsichtsmaßnahme getötet und entsorgt worden, sagte der Chef des Kreis-Veterinärdienstes, Wilfried Hopp, auf dapd-Anfrage. Das Umweltministerium des Landes wolle die Handelsströme überprüfen, hieß es. Mittel- und langfristig seien gesundheitliche Schädigungen durch den Verzehr dioxinbelasteter Lebensmittel nicht auszuschließen.

Auch Brandenburg und Sachsen-Anhalt betroffen

Verseuchtes Futter wurde auch an Betriebe in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg geliefert. Der betroffene Schweinezuchtbetrieb in Thüringen wird nach Ministeriumsangaben aber nicht gesperrt, da die Ferkel, die das Futter gefressen haben, bereits verkauft seien. In Brandenburg wurde dagegen ein Schweinezuchtbetrieb vorsorglich gesperrt, der das dioxinhaltige Futter aus jenem Mischfutterwerk in Sachsen-Anhalt bezogen hatte, das seit einigen Tagen unter Dioxin-Verdacht stehe, sagte eine Sprecherin des Verbraucherschutzministeriums in Potsdam.

In Sachsen-Anhalt wurden zwei Hähnchenmastbetriebe, ein Schweine- sowie ein Geflügelhalter gesperrt, wie ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Magdeburg sagte. Insgesamt seien im Land 55 Tonnen des verseuchten Mischfettes zu 1000 Tonnen Futtermittel verarbeitet und bereits vollständig an die Tiere verfüttert worden.

Als Konsequenz aus dem sich ausweitenden Skandal fordert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch eine umfangreiche Haftung der Futtermittelhersteller. Zudem müssten die Behörden die Verbraucher unverzüglich darüber informieren, welche Produkte von welchen Herstellern betroffen seien, sagte Sprecherin Christiane Groß der Nachrichtenagentur dapd. Der Deutsche Verband Tiernahrung mit Sitz in Bonn wies darauf hin, dass die aktuelle Dioxinbelastung durch eine Eigenkontrolle des Herstellers entdeckt worden sei. Woher die Verunreinigung der Mischfettsäure komme, müsse rasch geklärt werden.(dapd)