Berlin.

Die Klimakanzlerin Angela Merkel wird nicht begeistert sein. Deutschland hat im laufenden Jahr vier Prozent mehr schädliche Klimagase produziert als im Vorjahr. Schuld sind der kalte Winter und die gute Konjunktur.

Der Wirtschaftsboom trübt die deutsche Klimabilanz. Der energiebedingte Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid stieg nach ersten Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im laufenden Jahr um knapp vier Prozent. Dazu beigetragen habe das Winterwetter zu Beginn und zu Ende des Jahres, sagte der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft, Hans-Joachim Ziesing, der Nachrichtenagentur dapd in Berlin.

“Mit der Kombination von guter Konjunktur und großer Kälte hatten wir zwei Faktoren, die den Ausstoß nach oben gejubelt haben“, sagte Ziesing, der sich seit Jahren mit der Berechnung der deutschen Klimagase beschäftigt. So sei es in diesem Jahr um etwa 15 Prozent kälter gewesen als 2009. Damit stieg der Heizwärme-Bedarf. Insgesamt wurden in Deutschland 2010 nach Schätzung der Arbeitsgemeinschaft gut vier Prozent mehr Primärenergie verbraucht als 2009.

Dramatische Delle 2009

Trotz des jüngsten Anstiegs lägen die Emissionen aber immer noch unter dem Wert von 2008 - dem Jahr vor der Krise, sagte Ziesing. Denn die Rezession sorgte 2009 für eine Verringerung der energiebedingten CO-2-Emissionen um etwa sieben Prozent. „Wir hatten eine dramatische Delle“, sagte Ziesing.

Trotz der Trendumkehr sieht der Berliner Wissenschaftler die internationalen Klimaverpflichtungen der Bundesrepublik nicht in Gefahr. „Das muss keine Gefährdung des Kyoto-Ziels bedeuten“, sagte er. Deutschland hat seine Zusagen nach dem Kyoto-Protokoll in den vergangenen Jahren übererfüllt. Ende 2009 lagen die Emissionen der sechs erfassten Treibhausgase nach offiziellen Angaben um 25 Prozent unter dem Wert von 1990. Zugesagt hat Deutschland ein Minus von 21 Prozent im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012.

Anteil der Erneuerbaren Energien stieg um 0,3 Prozentpunkte

Die Schätzung der energiebedingten CO2-Emissionen ist nur ein erster Anhaltspunkt für die Kyoto-Ziele. Umfassendere Daten zu allen Klimagasen sind erst im Frühjahr zu erwarten. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen wurde 1971 von Verbänden der Energiewirtschaft und wissenschaftlichen Instituten gegründet, um Energiestatistiken auszuwerten und zu bilanzieren.

Positiv auf die Klimabilanz wirkt sich nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft die Entwicklung der erneuerbaren Energien aus. So erhöhte sich deren Anteil am Primärenergieverbrauch im laufenden Jahr von 9,1 auf 9,4 Prozent. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft stieg nach Angaben zufolge um zwei Prozent, die Photovoltaik sogar um 80 Prozent. Biogas und Biokraftstoffe können um 15 Prozent beziehungsweise knapp vier Prozent zulegen. Lediglich der Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung sank um drei Prozent.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sieht den langfristigen Trend zur Energieeinsparung durch die Zahlen bestätigt, räumte aber ein: „Gleichwohl können wir beim Thema Energieeffizienz noch besser werden.“ Das „Rauf und Runter“ beim Energieverbrauch in den vergangenen drei Jahren zeige deutlich, dass es keine starren Verbrauchsziele geben dürfe. „Denn wir wollen ja nicht, dass unsere Industrie ihre Produktion drosseln muss, nur weil wir einen strengen Winter haben“, sagte der Minister. (dapd)