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Um Guido Westerwelle ist es einsam geworden. Rückhalt hat er in seiner Partei kaum noch – schließlich wird dem Vorsitzenden der FDP die Verantwortung für den jähen Absturz der Partei gegeben. Für Politikexperten ist dies ein normaler Vorgang.
Guido Westerwelle hätte es besser wissen müssen, als er sich vor gut einem Jahr zum Außenminister und Vizekanzler vereidigen ließ. Die Geschichte hätte ihm erzählen können, dass Machtanhäufung in der Politik irgendwann zum Verhängnis wird. Doch er war noch trunken vom Siegestaumel nach der Bundestagswahl im September 2009, die der kleinen FDP knapp 15 Prozent bescherte. „Damals wäre er gut beraten gewesen, auf dem Höhepunkt seiner Macht den Parteivorsitz abzugeben“, sagt nun der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte.
Der Sündenbock der FDP wäre dann wohl ein anderer. Dass es den geben muss nach einem so dramatischen Abstieg binnen eines Jahres – die FDP kommt in Umfragen kaum noch über die fünf-Prozent-Hürde – „das hat System“, sagt der Professor. In der Tat folgt in der Regel auf einen rasanten Höhenflug nach schlechten Umfragen und/oder verlorenen Wahlen das jähe Ende.
Beispiel Edmund Stoiber: Bei der bayerischen Landtagswahl von 2003 erreichte die CSU mit ihm als Spitzenkandidaten nicht nur die gewohnte absolute Mehrheit, sondern mit einer Zweidrittelmehrheit das beste Ergebnis, das je bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik erreicht wurde. Stoiber galt unangefochten als die Nummer 1 in Bayern. Doch 2007 gab er, getrieben von der Parteirebellin Gabriele Pauli, den Plan auf, noch einmal für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren zu wollen. Kaum noch Rückhalt hatte der einstige Superstar der CSU angesichts sinkender Umfragewerte für die immer näher rückende Landtagswahl in der CSU.
„Von dem nimmt keiner mehr ein Stück Brot“
Beispiel Kurt Beck, von 2006 bis 2008 Parteivorsitzender der SPD und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz – wohlgemerkt mit (auch heute noch) absoluter Mehrheit im Rücken. Er wurde mit der Kanzlerkandidatur von Frank-Walter Steinmeier kaltgestellt. Legendär ist sein Auftritt bei der Klausurtagung der Partei am Schwielowsee: Durch tagelange Demütigungen seiner Parteifreunde traute er sich nur durch den Hintereingang ins Tagungshotel – um seinen Rücktritt vom Parteivorsitz kurz bekannt zu geben und sofort wieder zu verschwinden. Die Rechnung ging in beiden Fällen nicht auf: Weder konnte CSU-Kandidat Günter Beckstein seiner Partei zu altem Glanz verhelfen, noch schaffte es Frank-Walter Steinmeier, Merkel als Kanzlerin abzulösen. Im Gegenteil: Die CSU verlor mit Beckstein erstmals ihre absolute Mehrheit, die SPD ihre Regierungsbeteiligung.
„Meistens bringt der Brudermord nichts“, sagt der Düsseldorfer Parteienforscher Ulrich von Alemann, höchstens ein Ventil, den eigenen Frust ablassen zu können. Der Politikexperte Alemann traut Westerwelle allerdings zu, die vehementen Angriffe aus eigenen Reihen aushalten zu können. „Er ist ein Steher“, sagt der Professor. Sollte er doch zu Fall kommen, werde ein zu junger Kandidat wie Christian Lindner oder ein zu farbloser Ersatz wie Rainer Brüderle den Karren für die FDP auch nicht mehr aus dem Dreck ziehen können.
Ähnlich sinnlos ist wohl die derzeitige Stänkerei der NRW-CDU gegen ihren ehemaligen Vorsitzenden Jürgen Rüttgers. Toben soll der stellvertretende Fraktionschef Armin Laschet, weil Rüttgers lieber in Rom weilte als der ohnehin nicht mehr zu beeinflussenden Haushaltsabstimmung beizuwohnen. Offenbar ist es leichter, demjenigen, der ohnehin schon am Boden liegt, einen Tritt zu geben, als über Führungsschwäche in der Partei nachzudenken.
Mannheimer Putsch
Westerwelle im Tief
Laut ZDF-Politbarometer geben 63 Prozent der Bundesbürger Parteichef Guido Westerwelle eine sehr große oder große Schuld an der FDP-Krise. Und nur 39 Prozent der Befragten erwarten, dass der Vizekanzler Ende kommenden Jahres noch FDP-Vorsitzender ist.
Als besonders perfider Machtkampf gilt der „Mannheimer Putsch“ aus dem Jahr 1995. Wochenlang arbeitete Oskar Lafontaine damals daran, am Rückhalt für Rudolf Scharping innerhalb der SPD zu erschüttern, um ihn mit einer fulminanten Rede beim Parteitag in Mannheim zu entmachten. Danach fiel dem damaligen Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck zu Scharping noch ein: „Von dem nimmt doch keiner mehr ein Stück Brot.“ Drei Jahre später machte Parteichef Lafontaine äußerst erfolgreich Wahlkampf für Gerhard Schröder. Zum ersten Mal wurde mit Schwarz-Gelb unter Helmut Kohl eine Regierungskoalition komplett abgewählt. Was aus Lafontaine wurde, ist eine andere Geschichte.