Berlin. .

Die FDP steckt in einer Vertrauenskrise, Umfragen sehen die Partei im „Quotenkeller“ von drei Prozent. Das nährt Spekulationen um den Rückzug von FDP-Chef Westerwelle. Deshalb bekommt er jetzt demonstrative Unterstützung einiger Minister.

In der Debatte um einen möglichen Rückzug von FDP-Chef Guido Westerwelle haben die FDP-Minister Dirk Niebel, Rainer Brüderle und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihrem Parteichef demonstrativ den Rücken gestärkt. Entwicklungsminister Niebel betonte am Freitag, er sehe „keine Veranlassung“ für einen Rücktritt Westerwelles. Brüderle erklärte, „absurde Spekulationen“ brächten niemanden weiter. Einer aktuellen Umfrage zufolge verliert die Partei indes weiter an Zustimmung.

Brüderle verwies darauf, dass Westerwelle „das Vertrauen des gesamten Präsidiums genießt“. Die Geschlossenheit der Partei habe die Erfolge in der Vergangenheit möglich gemacht und nur durch Geschlossenheit werde die FDP „wieder in die Erfolgsspur kommen“. Brüderle fügte hinzu: „Wahlen gewinnt man mit heißem Herz und kühlem Kopf. Das sollten sich jetzt alle bewusst machen.“

Große Erwartungshaltung

Auch Leutheusser-Schnarrenberger sieht die Tage ihres Parteivorsitzenden nicht als gezählt an. „Die Tage des Jahres sind gezählt, sonst nichts“, sagte sie. Eine Ursache für die große Unzufriedenheit sieht sie darin, dass die FDP die notwendige Haushaltskonsolidierung zu spät an erste Stelle gesetzt habe: „Die Erwartungshaltungen waren sehr groß, und wir haben sie nicht erfüllt.“

Niebel räumte ein, dass die FDP „in einer schwierigen Situation“ sei, aber alle, die sich gegen Westerwelle ausgesprochen hätten, hätten auch gesagt, es gebe keine richtige Alternative. „Und wenn man keine Eier legen kann, sondern nur gackert, dann gilt, was ich gesagt habe: Entweder man stürzt einen Vorsitzenden oder man stützt ihn - und jetzt müssen wir alle ihn stützen, damit es mit der FDP vorangeht“, sagte Niebel.

Kritik reißt nicht ab

Der Generalsekretär der Saar-FDP, Rüdiger Linsler, erneuerte unterdessen seine Kritik am FDP-Bundesvorsitzenden. Bereits im August hatte er den Rücktritt Westerwelles als Parteichef gefordert. „Es war seinerzeit schon klar, dass wir mit Guido Westerwelle bedingt durch seine Doppelfunktion als Außenminister und FDP-Chef die Trendwende nach dem katastrophalen Absturz nicht schaffen würden. Leider wollten er und viele andere die verfahrene Situation nicht wahrhaben“, sagte Linsler.Dass sich ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt bereits positiv auf die anstehenden Landtagswahlen in Hamburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auswirken würde, glaubt Linsler allerdings nicht.

Auch Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum sieht seine Partei in einer schweren Krise und fordert rasche Konsequenzen „jetzt und nicht erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr“. Westerwelle müsse sich vergewissern, ob er noch das Vertrauen der Basis hat. „Wir brauchen auf jeden Fall einen Neuanfang, einen Weg, der uns aus der Krise führt“. Dabei gehe es um die politischen Inhalte, aber auch um die personelle Aufstellung. Das Dreikönigstreffen Anfang Januar in Stuttgart werde für Westerwelle „zum Lackmustest“.

Umfrage sieht Liberale in der Stimmung bei drei Prozent

Einer aktuellen Umfrage zufolge hat die Führungsdebatte den Sinkflug der Partei noch beschleunigt. In der politischen Stimmung sind die Freidemokraten laut dem neuen ZDF-Politbarometer von zuletzt vier auf nun nur noch drei Prozent abgesackt. An der tiefen Vertrauenskrise geben 63 Prozent der Befragten dem Parteichef Guido Westerwelle eine sehr große oder große Schuld, wie der Sender am Freitag berichtete. Nur 39 Prozent erwarten, dass der Vizekanzler Ende 2011 noch Vorsitzender ist.

Wenn bereits am nächsten Sonntag gewählt würde, würden längerfristige Überzeugungen und Bindungen an die Parteien sowie koalitionstaktische Überlegungen eine etwas größere Rolle spielen, die in der sogenannten Projektion berücksichtigt sind: Dann käme die FDP immerhin auf fünf Prozent (unverändert). Seit einem halben Jahr erreicht die Partei im ZDF-Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen nur noch fünf Prozent.