Berlin. .
Eine Mehrheit der FDP sehnt sich nach einem Wechsel. Die Liberalen stellen nicht ihre Politik, sondern ihren Chef in Frage. Erste Gerüchte gab es im Sommer. Nun aber wird Guido Westerwelle vor Augen geführt, dass er zur Last geworden ist.
Die Aufgabe des Außenamts wäre nicht zwingend. Hans-Dietrich Genscher oder Klaus Kinkel haben es vorgemacht: Es gibt ein politisches Leben nach dem FDP-Vorsitz. Aber ignoriert Westerwelle die Signale, kann er zur tragischen Figur werden und den Kabinettsposten verlieren. Die Frage ist, wer wann hinter dem Busch hervortritt, nach den Märzwahlen oder bereits zum Dreikönigstreffen.
Die Parallelen zum Jahreswechsel 2000/2001 drängen sich auf. Westerwelle, damals Generalsekretär, machte FDP-Chef Wolfgang Gerhardt klar, dass er ausgespielt habe und zu „Dreikönig“ Platz machen sollte. Wer aber gibt heute den Westerwelle ab?
„Halali“ zur Jagd war wohl das Interview mit Wolfgang Kubicki im „Spiegel“. Dort führte er dem Parteichef vor, wie verzweifelt die FDP ist, welchen Existenzkampf – in Bremen, in Hamburg – sie führt. Kubicki selbst muss sich in Schleswig-Holstein auf Neuwahlen einrichten und gegen die Tristesse kämpfen.
„Es war alles Westerwelle“
Fakt ist: Die FDP-Fraktionschefs aus den Ländern haben sich Anfang Dezember getroffen. Nach Kubicki gingen weitere Landespolitiker in die Offensive. Aus Baden-Württemberg wird Westerwelle aufgefordert, zu „Dreikönig“ klarzustellen, dass er auf dem Parteitag im Mai nicht wieder kandidiert. In Rheinland-Pfalz machte Spitzenkandidat Herbert Mertin publik, dass Westerwelle für den Wahlkampf nicht „gebucht“ wurde.
Auf dem Parkett, auf dem sich Westerwelle bewegt, in der Diplomatie, gibt es dafür einen Fachausdruck: Er wurde zur „Persona non grata“ erklärt, zur unerwünschten Person der FDP.
Der „Schaumburger Kreis“, eine Gruppe traditionsbewusster Liberaler, hat bereits alle Optionen für die Zeit nach Guido Westerwelle durchgespielt. „Wie nach einem Urknall die liberale Welt aussieht, kann eben niemand sagen“, zitiert das „Handelsblatt“ aus der Hinterzimmer-Runde. Vor der Fraktion erklärte Generalsekretär Christian Lindner: „2010 war ein fürchterliches Jahr.“
Obendrein sorgte ein Leitartikel in der FAZ unter den Freien Demokraten für Aufsehen. Überschrift: „Worauf wartet die FDP?“ Dort wurde die jüngere Garde unverhohlen zum Putsch angestachelt.
Kaltstart für Rösler?
Zwei Varianten sind im Umlauf. Die Partei geht auf „Nummer sicher“, trägt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle den Vorsitz an. Er ist erfahren, seinen Mainzern werden im März noch die besten Wahlchancen eingeräumt; so könnte er mit einem Erfolg starten. Stabilisiert er die FDP nicht, kann er zumindest den Übergang moderieren. Die Risikovariante: Die Jungen übernehmen das Kommando sofort. Der Kaltstart wird Philipp Rösler und Lindner zugetraut, die privat befreundet sind und politisch ähnlich ticken. Die FDP könnten sie programmatisch öffnen, zur linken Mitte hin, mit mehr Abstand zur Merkel-CDU.
Korrekturen sind aber nicht das Hauptmotiv. Der Absturz in den Umfragen wird auf Westerwelle zurückgeführt, seine Art, nie war ein Außenminister so unbeliebt, auch auf seine Strategie, auf die Verengung auf die Steuerpolitik: „Da hat er sich verrannt“, heißt es in der Fraktion, „es war alles Westerwelle.“ Es scheint, dass er der FDP noch einen Dienst erweisen kann: Die Schuld auf sich nehmen. Er aber schweigt, wartet ab, ob ein Herausforderer sich aus der Deckung wagt und aus dem verdeckten ein offener Machtkampf wird. Es würde ihm vermutlich leichter fallen, für Jüngere Platz zu machen. Denn: Was wäre Brüderle für Signal?