Berlin. .
Zu seiner ersten Late Night Show hat Stuckrad-Barre Krawall-Redner Sarrazin eingeladen. Doch richtig poltern wollte der nicht. Immerhin verriet er, dass ihn sein umstrittenes Buch zum Multi-Millionär gemacht hat. Und den besten Spruch seiner Frau.
Der Mann hat Lampenfieber. Er redet sogar darüber. „Ich habe Angst“, sagt Benjamin von Stuckrad-Barre und hampelt, haspelt, holpert sich 45 Minuten lang durch die erste Folge seiner neuen Late Night Show. Man sieht: Da ist Talent, aber da fehlt Routine. Also abwarten. Vielleicht tun’s beim nächsten Mal schon ein paar Baldriantropfen.
Dabei war die Sache gut eingefädelt - für die Premiere von „Stuckrad Late Night“ (ZDFneo): Als erster Studiogast kam Thilo Sarrazin – der Mann, der mit ein paar Sätzen den Adrenalinpegel einer ganzen Nation in die Höhe treiben kann, der vor der Kamera aber eher den rhetorischen Kaltblüter gibt. Genau das Richtige also für einen neugierigen, unerschrockenen Fragensteller wie Stuckrad-Barre – zumindest wenn er in Form ist.
Sarrazin kriegte kaum die Augen auf
Das Problem: Die beiden hatten ihr Pulver schon beim Vorspiel verschossen. Seit Monaten kursiert im Netz die Aufzeichnung des Probelaufs für die neue Late Night Show – mit Sarrazin als Testgast. Da sieht man: einen lässigen, witzigen Moderator und einen zumindest mittelwachen Gast. Beim gestrigen Ernstfall kriegte Sarrazin dagegen kaum die Augen auf und Stuckrad-Barre vor lauter Zappeln kein Bein an die Erde. So erfuhr man zwar, dass der Ex-Bundesbanker mit seinem umstrittenen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ bereits mehrere Millionen verdient hat, eine echte Überraschung aber blieb aus. Musste es also ausgerechnet noch mal Sarrazin sein? Kalter Kaffee kurz vor Mitternacht?
Und dann noch das verfluchte Lampenfieber. Stuckrad-Barre peitscht durchs Programm, peilt in Gedanken immer schon den übernächsten Pointenhafen an – und verplempert dennoch so viel Sendezeit, dass das letzte Spielchen im Abspann versandet. Dabei war’s gerade endlich mal lustig und entspannt: Moderator und Gast klebten sich gegenseitig Zettel mit einem prominenten Namen an die Stirn und spielten „Wer bin ich?“. In der Pilotsendung musste Sarrazin den Berliner Rapper Bushido erraten, Stuckrad-Barre bekam von Sarrazin „Josef Goebbels“ an die Stirn gepappt. Diesmal sollte Sarrazin sich selbst erraten. Eine Nummer, die man gerne ganz gesehen hätte.
Der beste Spruch von Frau Sarrazin
Stattdessen konnte man 45 Minuten lang verfolgen, wie ein Popautor, Kolumnenschreiber, Zeitgeistreporter und Selbstdarsteller seinen Stil als Late-Night-Talker sucht. Ein bisschen FDP-Bashing, ein mäßig lustiger Clip aus dem Bundestag, ein hübsches Filmchen mit Bushido als gefühligem Sarrazin-Rezitator, eine Runde Publikumsflirt – alles solide, aber alles nicht neu. Von einem wie Stuckrad-Barre erwartet man kein Harald-Schmidt-Remake, sondern etwas Eigenes.
Manchmal blitzt das kurz auf. Und zwar just in den Momenten, wo der Moderator das Moderatorsein, die Quote und alles andere für einen Augenblick vergisst und knietief in der Absurdität eines Dialogs versinkt. Zum Beispiel darüber, ob Thilo Sarrazin eigentlich Madonna hört und wenn ja, warum nicht. Oder, was eigentlich der beste Spruch von Frau Sarrazin ist. Herr Sarrazin ist da ehrlich: „Thilo, nicht schon wieder!“