Düsseldorf. .
Sie ist ein geborener Star - Beth Ditto von Gossip begeisterte ihre Fans in der ausverkauften Düsseldorfer Philipshalle: mit cleveren Pop-Zitaten, kantiger Post-Punk- Gitarre und ihrer ganz eigenen Art.
Ein wenig seltsam ist das schon. Eine Band, die krachenden Punkrock mit Disco vereint, die lange Jahre in kleinen Clubs gespielt hat und deren Sängerin von sich selbst sagt, sie sei eine fette Lesbe, verkauft derzeit die Hallen Europas aus, so wie die Philipshalle in Düsseldorf. Das kann doch nicht nur an Karl Lagerfeld liegen, der Beth Ditto als Mode-Ikone der etwas anderen Art für sich entdeckt hat.
Jedenfalls sind Gossip, das „The“ im Namen haben sie schon lange abgelegt, die Band der Stunde. Und viel länger dauerte das Konzert bis zu den Zugaben auch nicht. Dafür packten Ditto, Schlagzeugerin Hannah Blilie im Männer-Look, Gitarrist Brace Paine und Bassist Chris Sutton eine Unmenge von cleveren Pop-Zitaten in ihren Set. Da geht´s über „Psycho Killer“ von den Talking Heads hin zu Marvin Gayes „I Heard It Through the Grapevine” bis zu Black Sabbaths „War Pigs“ bei der ersten Zugabe. Und Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ zitieren sie auch.
Aussagen, die unter die Haut gehen
Da darf man gerne mitraten, textsicher ist das Publikum auf alle Fälle beim ausgespielten Cover von Tina Turners „What´s Love Got to Do with It.“ „What´s love but a second-hand emotion“ singen alle mit und unweigerlich muss man an die missverstandene Zeile aus Axel Hackes wunderbarem Buch „Der weiße Neger Wumbaba“ denken. „ What´s love but a second hand in motion“ hörte da jemand beim ersten Mal heraus. Knapp daneben, aber schön entstellt.
Auch ansonsten wird sprachlich einiges geboten. „Wie geht´s?“, fragt Beth die Fans auf Deutsch und wird noch weitere Kostproben ihrer netten rudimentären Sprachkenntnisse geben. „Deutschland ist mein Lieblingsland“, gehört dazu. Und wenn es scheint, als sei so etwas ein bloßes Lippenbekenntnis, gehen die nächsten englischen Sätze doch unter die Haut. „Diese Halle ist tausendmal größer als mein Heimartort. Und noch tausendmal größer als das Dorf meiner Mutter. Also dankeschön…“
Der Außenseiter, der Freak
Man kann sich leicht vorstellen, dass es für Beth in ihrer Heimat Arkansas nicht leicht gewesen ist, als Außenseiter, als Freak. Heute hat sie ihre Handikaps zu ihren Vorteilen gemacht. „Heavy Cross“ ist einer der Songs, in denen sexuelle Orientierung als Martyrium gedeutet wird, eben als das Kreuz, das man/frau als „dyke“ oder „faggot“ tragen muss, die englischen Schimpfnamen für Lesben und Schwule. Und auch ihr Erkennungssong „Standing in the Way of Control“, bei dem Band und Halle förmlich explodieren, stellt die Frage danach, wer wem eigentlich etwas vorschreiben kann.
Beth Ditto genießt es in diesen Augenblicken, der Star zu sein, sie scheint dafür geboren, sieht in ihrem natürlich engen, schwarz-silbernen Kleid und der Louise Brooks-Frisur, dem klassischen Pagenkopf, auch aus wie einer. Aber Stars rülpsen nicht. Beth schon. „I`m only human“, meint sie lachend. Das finden die Fans zwischen zwanzig und sechzig prima und deshalb jubeln sie der dicken Frau zu. Die findet in der durchaus spannenden Musik, dem kantigen Post-Punk- Gitarrenspiel, den präzisen Beats, Gelegenheit sich auszutoben, sie kann markerschütternd kreischen und erinnert bisweilen sogar an die ebenso ungewöhnliche Rock-Ikone Janis Joplin. Denn der Sound von Gossip ruht trotz Disco und Punk fast schon im Blues, der ganz von ferne durchschimmert.
Eröffnet wurde der Abend von Hercules and Love Affair und schön zu erleben, dass die Fans auch dieser ziemlich abgedrehten, ziemlich schwulen Disco-Truppe Zuneigung entgegen brachten. Die Musiker um Andrew Butler, der auch mit gutem Deutsch überraschte, haben die New Yorker Disco Studio 54 und die Bee Gees der „Night Fever“-Phase mittels einer ausgeklügelten Zeitmaschine ins Hier und Heute geholt. So kann man sich nur Beth Dittos Bewertung des Abends anschließen: „Super, super, super. Dankeschön.“