Berlin. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit möglicher Regierungsbündnisse beschäftigt die Partei: Ist eine Jamaika-Koalition noch mit den politischen Grundlinien vereinbar? Der Alt-Linke Hans-Christian Ströbele warnt vor einer allzu weitgehenden Öffnung der Grünen zum bürgerlichen Lager.
Die Grünen-Fraktionschefs der Länder haben einen Antrag für den Parteitag gestellt, nach dem sie keine Regierungskonstellation mehr ausschließen wollen. Haben sie Recht?
Ströbele: Die Grünen laufen Gefahr, damit beliebig zu werden. Niemand weiß mehr so richtig, wohin sie gehören. In dem Papier steht viel, warum das Lagerdenken überholt sein soll. Es scheint egal, mit welcher Partei wir koalieren. Ich sehe aber mehr Schnittmengen mit SPD und Linken als mit anderen. Es kann doch nicht nur darum gehen, wie kommen wir an die Macht. Das ist nicht meine Politik. Ich glaube nicht, dass der Antrag eine Mehrheit findet. Links und Rechts, richtig verstanden, bleiben Orientierungsrahmen.
Heute Jamaika, morgen womöglich Rot-Rot-Grün. Goutiert der Wähler diese Farbenspielchen?
Ströbele: Nein, das führt zu Irritationen beim Wahlvolk. Nach der Entscheidung im Saarland für Jamaika kam es zu empörten Reaktionen aus meinem Wahlkreis.
Auch auf Bundesebene wollen die Grünen keine Konstellation mehr ausschließen. Schadet sich damit die Partei?
Ströbele: Ja, das tut sie. Viele fragen sich doch: Wen hieve ich mit meinem Kreuzchen für Die Grünen mit in die Regierung? Wenn sie nicht sicher sind, dass sie damit Frau Merkel oder Herrn Westerwelle wählen, dann könnten sie beim nächsten Mal - vielleicht zähneknirschend – wieder SPD wählen.
Die Wähler müssen wissen, dass sie mit ihrer Stimme für Grün eine Politik der sozialen Gerechtigkeit und der Umverteilung von Oben nach Unten, nicht umgekehrt, wählen. Dafür steht Grün, mit Rot-Rot. Das ist die Alternative bei der nächsten Wahl.
Rechnen Sie mit Grundsatzkonflikten auf dem Parteitag?
Ströbele: Nein, wir beschließen noch nicht die Koalitionsaussage im Hinblick auf 2013. Für mich ist aber klar: Die Grünen werden im linken Lager bleiben. Angesichts der gelb-schwarzen Regierungspolitik der nächsten Zeit wird sich vieles erledigen, was sich Teile der Partei jetzt als wünschenswert vorstellen.
Muss sich die Partei nun personell erneuern, wie es die Grüne Jugend fordert?
Ströbele: Die personelle Erneuerung muss ein dauernder Prozess sein. Wenn nicht die Jugend solche Forderungen aufstellt, wer sollte es dann tun? Unsere Politik sollte aber von allen Generationen gemeinsam gestaltet werden.
Bräuchte es nicht einen Wechsel an der Partei- und Fraktionsspitze?
Ströbele: Das sehe ich nicht. Die Führungscrew hat die grünen Inhalte im Bundestagswahlkampf sehr gut vertreten. Das Ergebnis war zwar in Teilen nicht ganz so positiv, wie viele sich erhofft hatten. Aber es ist dennoch das beste für Grüne. Daher wäre es falsch zu sagen, das waren oder sind nicht die richtigen Leute.