Rostock. Gegen einen schnellen Abzug der afghanischen Truppen haben sich die Grünen bei ihrem Bundesparteitag ausgesprochen. Trotz aller Kritik an der deutschen Afghanistan-Politik der vergangenen Jahre berge ein sofortiger Abzug die Gefahr "einer weiteren Eskalation bis zum Bürgerkrieg".

Die Grünen haben sich auf ihrem Bundesparteitag gegen einen schnellen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan ausgesprochen. Nach einer kontroversen Debatte lehnten die Delegierten am Sonntag Forderungen aus der Partei nach einem Abzug schon bis 2010 oder 2011 ab. Stattdessen beschlossen sie, einen schrittweisen Abzug innerhalb der neuen Legislaturperiode «in die Wege zu leiten».

Roth: "Vernünftiger Abzug braucht Zeit"

Grünen-Chefin Claudia Roth mahnte: «Ein vernünftiger Abzug braucht Zeit.» Ein sofortiges Ende des Einsatzes wäre «unverantwortlich» und berge die Gefahr, dass die Situation in Afghanistan bis hin zu einem Bürgerkrieg eskaliere.





Die Grünen verlangen von der Bundesregierung, 2010 einen verbindlichen Aufbauplan für Afghanistan zu entwickeln. Dazu gehöre vor allem ein stärkerer Polizeiaufbau. Der Schutz der afghanischen Bevölkerung müsse oberste Priorität haben. Sollte ein solcher Strategiewechsel nicht erfolgen, empfehlen die Grünen ihrer Bundestagsfraktion, zukünftigen Mandatsverlängerungen für die Internationale Schutztruppe für Afghanistan ISAF «nicht zuzustimmen». Auch dieser Punkt war strittig gewesen. Die Forderung, die Fraktion zu einem klaren «Nein» zur Mandatsverlängerung aufzurufen, setzte sich nicht durch.

Der Friedenspolitiker Uli Cremer, der einen Komplettabzug schon bis Mitte 2010 gefordert hatte, kritisierte den Parteitagsbeschluss als Votum für eine «Laufzeitverlängerung dieses Krieges».

Dagegen warnte der ehemalige UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, der neu für die Grünen in den Bundestag eingezogen ist: "Wenn wir jetzt überstüzt abziehen, dürfen wir nachher nicht sagen, wir hätten nicht gewusst, was das Taliban-Regime ist und was es anrichten wird.» Auch der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele sprach sich für einen Abzug «in verantwortbarer Weise» aus - mit einer Deeskalationsstrategie, Waffenstillstandsverhandlungen und einem Abzugsplan.

Sicherheitspolitiker: Kurs der regierung "halbherzig"

Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei. Foto: ap
Der Grünen-Politiker Winfried Nachtwei. Foto: ap © AP | AP





Der Grünen-Sicherheitspolitiker Winfried Nachtwei kritisierte den Kurs der Bundesregierung als «unehrlich, halbherzig und verantwortungslos». Nachdem die Stimmung der Bevölkerung in der Region um den Bundeswehrstützpunkt Kundus vor Jahren noch hoffnungsvoll gewesen sei, herrsche dort seit dem Frühjahr «offener Guerilla-Krieg». Er mahnte, auch die meisten zivilen Helfer müssten mit den Truppen das Land verlassen.

Eine Verlängerung des Mandats für die Anti-Terror-Mission Operation Enduring Freedom (OEF) sollen die Grünen-Abgeordneten nach dem Willen der Delegierten ablehnen. Beide Mandate laufen Mitte Dezember aus und müssen vom Bundestag verlängert werden. (ddp/afp)