Berlin. .
Im Streit um Erbgut-Tests an Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung hat sich der frühere CDU-Generalsekretär Peter Hintze klar gegen das von Parteichefin Angela Merkel befürwortete Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen.
Seit der Bundesgerichtshof im Sommer festgestellt hat, dass Erbgut-Tests nach einer künstlichen Befruchtung - Präimplantationsdiagnostik (PID) -zulässig sind, „um schwere genetische Schäden“ zu verhindern, geht eine Frage quer durch die Parteien: Muss ein Verbot per Gesetz her? Oder soll auch in Deutschland weiter praktiziert werden, was in über 60 Ländern erlaubt ist. Besonders sensibilisiert ist die CDU. Auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe soll PID per Antrag verboten werden. Peter Hintze, früher evangelischer Pfarrer und CDU-Generalsekretär, heute Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium führt die Gegenbewegung an.
Herr Hintze, Sie halten im Gegensatz zur Mehrheit in der Union die PID für eine „menschenfreundliche“ und „ethisch wertvolle Medizin“. Warum?
Hintze: Weil sie Paaren mit schweren genetischen Vorbelastungen die Entscheidung für ein Kind erleichtert. Wer Ja zum Leben sagen will, muss die PID in Grenzsituationen befürworten.
Warum sieht Ihre Partei, bis hin zur Kanzlerin, das anders?
Hintze: Mein Standpunkt ist: Eine befruchtete Eizelle in der Petrischale ist die biologische Voraussetzung für den Menschen. Aber sie ist noch kein Mensch. Das sehen nicht alle so. Die Menschwerdung beginnt für mich im Mutterleib.
Ist es unchristlich, Paaren, die schwere Gen-Schäden haben, Fehlgeburten, Spätabtreibungen und schwerbehinderte Kinder zuzumuten?
Hintze: Mir ist es wichtig, dass aus der Sicht der betroffenen Frauen argumentiert wird. Ihnen kann durch die PID schweres menschliches Leid erspart werden. Ein Verbot der PID wäre aus meiner Sicht ein Verstoß gegen die Menschenwürde der betroffenen Frauen.
Sie gehen noch einen Schritt weiter. Sie sagen, ein PID-Verbot würde zu rechtlichen und moralischen „Wertungswidersprüchen“ führen. Was meinen Sie damit?
Hintze: Bei einem Verbot würde mit zweierlei Maß gemessen. Wir erlauben rechtlich, dass ein Kind im Mutterleib in den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft ohne jede Begründung abgetrieben werden darf. In schweren Fällen erlauben wir Spätabtreibungen sogar bis zum neunten Monat. Aber die PID, die Untersuchung der befruchteten Zelle außerhalb des Mutterleibes, soll verboten werden? Diesen Widerspruch gilt es zu verhindern.
Was schlagen Sie vor?
Hintze: Der Gesetzgeber sollte sich zurückhalten und dem Spruch des Bundesgerichtshofes folgen, der die PID in engen Grenzen für zulässig erklärt hat.
Was die Verantwortung über die Frage, ob es sich um einen schwerwiegenden genetischen Schaden handelt und die befruchtete Eizelle verworfen wird, allein den Ärzten überlässt.
Hintze: Deswegen arbeite ich mit Kollegen aus allen Fraktionen an einem Gesetzentwurf, der die Zulassung der PID in Einzelfällen an das Votum einer Ethik-Kommission bindet. Ich warne allerdings davor, als Gesetzgeber den Versuch zu unternehmen, zumutbare und unzumutbare Krankheiten trennscharf zu definieren. Das kann nur scheitern.
Auch darum sehen viele in Ihrer Partei die Gefahr, durch die PID werde die Tür zum Designer-Baby aufgemacht.
Hintze: Dieser Begriff ist abwegig, absurd und fern jeder Lebenswirklichkeit. Die betroffenen Paare, vor allem die Frauen, nehmen bei einer künstlichen Befruchtung enorme physische und psychische Belastungen auf sich. Sie bewegt der sehnsüchtige Wunsch nach einem Kind, nicht nach einzelnen Eigenschaften. Wer das nicht glaubt, sollte sich in Europa umsehen, wo seit über 20 Jahren sehr verantwortungsvoll mit der PID umgegangen wird. Die Abgrenzung, ob eine befruchtete Eizelle in den Mutterleib eingepflanzt werden soll oder nicht, gelingt in der Praxis überall auf der Welt sehr verantwortungsvoll. Warum sollte das bei uns anders sein?
Wie viele Paare könnten von PID profitieren?
Hintze: Es geht um einen sehr kleinen Personenkreis von Eltern, die einen sehr starken Kinderwunsch besitzen. Die aber mit schweren genetischen Vorbelastungen in der Familie kämpfen, bei denen etwa eine qualvolle Totgeburt droht.
In der Union deutet sich leichte Bewegung in Ihre Richtung an. Zuletzt erhielten Sie Unterstützung von den Ministerinnen von der Leyen und Schröder. Stärkt das?
Hintze: Ja, das ist ein moralische Stärkung, wenn die für Behinderte und die für Frauen zuständigen Ministerinnen sich so positionieren. In der Bundestagsfraktion gab es in dieser Woche zudem eine erste größere Debatte. Es wurde mit großem Ernst und in gegenseitigem Respekt diskutiert. Mein Eindruck ist: Viele Kolleginnen und Kollegen verlangen noch etwas Zeit, um sich ein fundiertes Urteil zu bilden. Diese sachliche Beratung wünsche ich mir auch auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe.
Warum haben Sie die Parteivorsitzende und Kanzlerin nicht für Ihre Meinung gewinnen können?
Hintze: Angela Merkel hat das Recht zu einer Gewissensfrage erklärt. Und die beantworten wir unterschiedlich.