Stockholm. .
Robert G. Edwards, Pionier der künstlichen Befruchtung, erhält den diesjährigen Nobelpreis für Medizin. Das gab das Nobelpreis-Komitee am Montag in Stockholm bekannt. Der Vatikan kritisierte, die Auszeichnung sei „überhaupt nicht in Ordnung“.
Der Vatikan hat die Ehrung des Pioniers der künstlichen Befruchtung, Robert Edwards, mit dem Nobelpreis für Medizin kritisiert. Die am Montag angekündigte Verleihung des Preises an den Briten sei „überhaupt nicht in Ordnung“, sagte der Leiter der päpstlichen Akademie für das Leben, Ignacio Carrasco de Paula, der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Ohne den britischen Wissenschaftler gäbe es „keinen Markt, auf dem Millionen von Eizellen verkauft werden“. Auch würde „nicht eine Vielzahl von Kühlschränken gefüllt mit Embryonen“ existieren, kritisierte der Geistliche, der sich im Namen des Vatikan zu ethischen Angelegenheiten äußert.
Eizellen und Embryonen würden in den meisten Fällen aufgegeben und dann sterben, kritisierte Carrasco de Paula. Für dieses Problem sei Edwards verantwortlich. Außerdem sei die künstliche Befruchtung sehr teuer und keine wirkliche Lösung des Problems der Unfruchtbarkeit.
Millionen Paaren geholfen
Edwards entwickelte gemeinsam mit seinem 1988 verstorbenen Kollegen Patrick Steptoe die Befruchtung im Reagenzglas. Dabei werden Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet und der Frau dann in die Gebärmutter eingepflanzt. Mit Hilfe dieser Forschungsarbeiten konnten seither Millionen unfruchtbare Paare Kinder bekommen. Der Nobelpreis für Medizin ist mit zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert.
„Seine Leistungen haben es möglich gemacht, Unfruchtbarkeit zu behandeln, ein Leiden, das einen großen Teil der Menschheit belastet, darunter mehr als zehn Prozent aller Paare weltweit“, teilte das Nobelpreiskomitee mit.
Die typische Form der künstlichen Befruchtung ist die In-Vitro-Fertilisation (IVF). Diese findet in einer kleinen Glasschale statt: Die der Frau nach einer Hormonbehandlung entnommenen reifen Eizellen werden dort mit den Spermien zusammengegeben. Nach zwei bis drei Tagen werden diese der Frau wieder eingepflanzt. Das erste auf diese Art entstandene „Retortenbaby“ wurde im Juli 1978 in Großbritannien geboren. Da die britischen Reproduktionsmediziner ihr Erfolgsgeheimnis zunächst nicht preisgaben, dauerte es noch bis April 1982, bis auch in Deutschland ein künstlich gezeugtes Kind geboren wurde.
Edwards“ Arbeit ist auch für andere Bereiche der Forschung wichtig
Dank IVF seien mittlerweile weltweit rund vier Millionen Menschen geboren worden, sagte das Komitee. „Heute ist Robert Edwards“ Vision Realität und bringt unfruchtbaren Menschen auf der ganzen Welt Freude“, hieß es in der Begründung. Edwards“ Arbeit sei auch für Bereiche wie Krebs- und Stammzellenforschung wichtig, sagte Aleksander Giwercman, Leiter der Reproduktionsforschung an der Universität von Lund in Schweden. „Viele Krankheiten, die wir als Erwachsene entwickeln, haben ihren Ursprung sehr viel früher im Leben, etwa während der Empfängnis.“
Der 1925 in Manchester geborene Edwards ist emeritierter Professor an der Universität Cambridge. Bereits in den 50er Jahren begann er mit der Arbeit an der IVF. Die Geburt des ersten „Retortenbabys“ Louise Brown stellte eine Revolution in der Fruchtbarkeitsbehandlung dar. Brown ist heute 32 Jahre alt und Postangestellte in Bristol. Im Jahr 2007 brachte sie ihr erstes eigenes Kind, Cameron, zur Welt - gezeugt auf natürliche Weise.
Nobelpreis-Woche hat begonnen
Mit der Bekanntgabe der Auszeichnung für Medizin in Stockholm hat der Reigen der diesjährigen Nobelpreise begonnen. Jeder der renommierten Preise ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,09 Millionen Euro) dotiert. Nach Medizin folgt am Dienstag der Nobelpreis für Physik und am Mittwoch für Chemie. Am Donnerstag soll der Träger der Literatur-Auszeichnung bekannt gegeben werden. Der mit besonderer Spannung erwartete Träger des Friedensnobelpreises wird am 8. Oktober in Oslo verkündet - völlig überraschend war der Preis im vergangenen Jahr an US-Präsident Barack Obama gegangen. Den Abschluss bildet der Preis für Wirtschaftswissenschaften am 11. Oktober. Verliehen werden die Auszeichnungen am 10. Dezember.
Als aussichtsreichster Kandidat für den Medizin-Nobelpreis war der japanische Wissenschaftler Shinya Yamanaka gehandelt worden. Er machte die künstliche Herstellung von Stammzellen möglich. Yamanaka ist Professor an der Universität von Kyoto und erhielt für seine Arbeit bereits den angesehenen Lasker-Award, der auch amerikanischer Nobelpreis genannt wird. Wissenschaftler in der ganzen Welt zeigten sich begeistert über seine Entdeckung, weil für diese Art der Gewinnung von Stammzellen keine Embryonen gebraucht werden.
Gewinner im vergangenen Jahr
Im vergangenen Jahr wurden Elizabeth H. Blackburn, Jack W. Szostak und Carol W. Greider für Forschungen über die Telomerase ausgezeichnet. Sie beschäftigen sich damit, wie Chromosomen und Zellen vor dem Altern geschützt werden.
Die Nobelpreise gehen auf den Dynamit-Erfinder und Industriellen Alfred Nobel zurück. Über due Vergabe entscheiden Expertengremien aus Wissenschaft und Literatur in Schweden sowie beim Friedensnobelpreis ein Ausschuss des norwegischen Parlaments. Die schwedischen Institutionen bitten frühere Preisträger und ausgewählte Professoren um Nominierungen. Für den Friedenspreis können auch Mitglieder von Regierungen und Parlamenten aus aller Welt Vorschläge einreichen. (afp/dapd)
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