Essen. .

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes im Juni dürfen Embryonen nach einem Gentest aussortiert werden, bevor sie eingepflanzt werden. Die FDP befürwortet die Freigabe, die Union kämpft dagegen. Doch für ein Verbot fehlt ihr die Mehrheit im Bundestag.

Kliniken und Arztpraxen rüsten technisch auf, um in Zukunft einen neuen Service anbieten zu können: Die Präimplantationsdiagnostik, kurz PID. Dieses Kürzel steht für die Auswahl von Embryonen nach genetischen Kriterien. „Wir werden das in Zukunft anbieten“, sagt Prof. Thomas Katzorke. Der Essener Reproduktionsmediziner glaubt, dass viele Kollegen diesem Beispiel folgen werden: „Die Reproduktionsmediziner müssen reagieren und sich technisch dafür ausrüsten.“

Auslöser dieser neuen Betriebsamkeit ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Zuvor war es Konsens zwischen Bundesregierung und Medizinern, dass die Auswahl von Embryonen grundsätzlich untersagt ist. Die Richter entschieden je­doch im Juni, das Verfahren dürfe angewandt werden, um schwere Erbkrankheiten beim Nachwuchs zu erkennen und zu vermeiden. Werden beim künstlich befruchteten Em­bryo solche Merkmale entdeckt, kann er verworfen werden. Für Ärzte ist die Rechtslage damit aber keineswegs klar. „Was heißt: schwere Erbkrankheiten?“, fragt Katzorke. Welche Merkmale rechtfertigen eine Vernichtung des Embryos und welche nicht? Auch eine Auswahl nach Geschlecht wäre mit der PID technisch möglich.

Die FDP hat den Joker

Politiker diskutieren seit dem BGH-Urteil heftig über die PID. Die Union drängt auf ein Verbot des Gen-Checks, wie es das CDU-Grundsatzprogramm fordert. Nach Ansicht vieler Unionspolitiker bedeute die PID eine Vorauswahl menschlichen Lebens. Die FDP hingegen will eine Freigabe der PID und fühlt sich gestärkt durch den BGH-Spruch. Ulrike Flach, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion: „Wir wollen die PID für einen begrenzten Kreis von Familien mit der Gefahr für genetische Schäden zulassen.“ Ein neuer Koalitionskrach deutet sich damit an. Der Staat soll sich nach Ansicht der FDP sogar bei der Aufstellung eines Katalogs von Erbkrankheiten, bei denen die Tötung des Embryos zulässig ist, heraushalten. Ulrike Flach: „Unser Vorschlag ist, dass dies die Bundesärztekammer macht.“

Für ein Verbot findet die Union in der Koalition keine Mehrheit. Sie müsste sich daher nach Abgeordneten andere Parteien umsehen, die ihre Position stützen. Die FDP ist nicht unter Druck, sie kann notfalls mit dem Urteil leben und hat einen Joker in der Hinterhand: „Sollte die Union einen Vorstoß für ein Verbot starten, müssten wir mit unserem Antrag ins Parlament gehen“, sagte Flach. Das weiß auch die CDU. Aus der Union verlautet daher, dass es jetzt angebracht sei, zunächst keine eigene Initiative zu starten.

Dieses unausgesprochene Stillhalteabkommen wollen CDU und Grüne nun in ein offizielles Moratorium überführen. Sie fürchten, eine ungeregelte PID würde Fakten schaffen. Daher soll das Verfahren verboten bleiben, bis sich im Bundestag eine Mehrheit für eine gesetzliche Regelung gefunden hat. Wie auch immer sie aussehen wird.