Berlin. .
Der Bundestag hat die schwarz-gelbe Gesundheitsreform beschlossen. Der Beitragssatz steigt zum Jahreswechsel auf 15,5 Prozent. Die Opposition bezeichnet die Neuerung als zutiefst ungerecht.
Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen von Union und FDP das Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beschlossen. Es sieht unter anderem vor, dass der einheitliche Beitragssatz im nächsten Jahr auf 15,5 Prozent steigt. Für die Reform stimmten 306 Abgeordnete, es gab 253 Nein-Stimmen.
Dem Beschluss waren monatelange Debatten vorausgegangen. Vor allem auf die Versicherten kommen mit dem Gesetz Mehrbelastungen zu. Dem Gesetz zufolge soll der einheitliche Beitragssatz zum 1. Januar 2011 von derzeit 14,9 Prozent um 0,6 Punkte steigen. Alle künftigen Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sollen von den Versicherten durch Zusatzbeiträge finanziert werden. Diese sollen die Kassen selbst festlegen können und zwar als einkommensunabhängigen Pauschalbetrag. Geringverdiener erhalten einen Sozialausgleich. Zudem werden die Ausgaben bei Ärzten, Krankenhäusern und Kassen begrenzt.
Opposition: Schwarz-gelbe Gesundheitsreform ist zutiefst ungerecht
Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke haben die Gesundheitsreform der schwarz-gelben Koalition als zutiefst ungerecht kritisiert. Mit der geplanten Beitragserhöhung und Zusatzbeiträgen bei gleichzeitiger Schonung der Arbeitgeber werde „das Ende der Solidarität“ im Gesundheitswesen eingeleitet, sagten Redner der drei Parteien am Freitag im Bundestag. „Die Versorgung wird nicht verbessert, aber es wird an vielen Punkten ungerechter werden für die Versicherten“, sagte die SPD-Abgeordnete Andrea Nahles. Sie warf Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vor, er vertrete nicht die Interessen der Versicherten, sondern die der Gutverdiener.
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Birgitt Bender kritisierte: „Das System hat Gerechtigkeitslücken.“ Es sei nicht gerecht, dass der einheitliche Beitragsatz von künftig 15,5 Prozent nur auf Löhne, Gehälter und Renten fällig werde, aber nicht auf andere Einkünfte wie etwa Zinsen. Linksfraktionschef Gregor Gysi nannte die Reform „grob sozial ungerecht“. Die Logik, dass derjenige künftig besser behandelt werde, der zuzahle oder beim Arzt Vorkasse leiste, sei „unmoralisch“.
FDP und Union verteidigen Reform gesetzlicher Krankenversicherung
FDP und CDU/CSU haben ihr Vorhaben für eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung gegen die Kritik der Opposition verteidigt. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zeigte sich am Freitag angesichts des Milliarden-Defizits der Krankenkassen überzeugt, dass mit der Reform „nicht nur die Probleme im Jahr 2011 gelöst werden, sondern der Einstieg in ein faires und besseres System“ gelinge. Der Arbeitgeberbeitrag werde festgeschrieben, um die Lohnzusatzkosten zu stabilisieren. „Das ist unser Beitrag für Wachstum und Beschäftigung“, sagte Rösler.
Die FDP-Gesundheitsexpertin Ulrike Flach sprach von einer „Zäsur in der Gesundheitspolitik“. Mit der Reform gelinge der Einstieg in eine einkommensunabhängige und damit konjunkturunabhängige Finanzierung des Gesundheitswesens. Seit vielen Jahren stiegen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung schneller als die Einnahmen der Krankenkassen. „Wir müssen uns deshalb vom Lohnbezug der Beiträge lösen“, sagte Flach. Der geplante Sozialausgleich stelle zugleich sicher, dass Geringverdiener nicht überfordert würden.
Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sagte, die Koalition stelle sich der Verantwortung, auch wenn es „unschöne Botschaften“ seien. Mit Blick auf das für 2011 erwartete Defizit von neun Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung sagte er: „Wenn wir nichts tun würden, müssten viele Krankenkassen in die Insolvenz gehen.“ Sein Parteikollege Rolf Koschorrek sagte, die Gesetzespakete der Koalition sorgten dafür, „dass wir die finanzielle Basis der gesetzlichen Krankenversicherung solide gestalten“. Zu der Möglichkeit für gesetzlich Versicherte, an einem Kostenerstattungsmodell teilzunehmen, sagte der CDU-Abgeordnete, es gebe viele Versicherte, die Kostentransparenz wollten. „Es geht überhaupt nicht darum, da jemanden abzuzocken.“ Es gehe nicht um „Vorkasse“, betonte er. (afp)