Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, da wurde Doktor Philipp Rösler beim Neujahrsempfang der Ärzteschaft in Berlin wie ein Heilsbringer gefeiert. Heute ist kaum noch jemand gut auf ihn zu sprechen.
Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, da wurde Doktor Philipp Rösler beim Neujahrsempfang der Ärzteschaft in Berlin wie ein Heilsbringer gefeiert. Nach den von den Medizinern als so bleiern und quälend empfundenen Jahren der Ulla-Schmidt-Ära schien da endlich einer zu sein, der die Sorgen und Nöte seiner Kollegen versteht. Wunder haben sie von ihm erwartet, wie das so mit Heilsbringern ist. Die Ärzte hätten es besser wissen müssen. Wunder sind in der Medizin eher selten, im Gesundheitswesen hat noch niemand eines vollbracht. Heute ist Rösler in Medizinerkreisen nicht viel besser gelitten als seine Vorgängerin, selbst das liberale Stammklientel, die Apothekerschaft, ist nicht gut auf ihn zu sprechen. So ist das eben, wenn man Gesundheitsminister ist. Man kann es keinem recht machen und braucht eine robuste Natur, um in dem Minenfeld Gesundheitswesen zu überleben.
Der Unmut seiner einstigen Fans mutet indes seltsam an: bei seinen zaghaften Tippelschritten durch dieses Minenfeld hat Rösler nur den gesetzlich Versicherten und den Krankenkassen wirklich schmerzhaft auf die Füße getreten.
Ungerechtigkeiten werden nur nivelliert
Der Sparbeitrag, den Apotheker und Ärzte leisten müssen, ist bescheiden, für die niedergelassenen Mediziner gibt es gar eine üppige Honorarerhöhung, mit der Ungerechtigkeiten nivelliert werden, die ihre eigene Selbstverwaltung verbockt hat. Der Pharmaindustrie hat Rösler zwar - das zumindest ist positiv - eine Nutzenbewertung für ihre neuen Medikamente auferlegt; zugleich ist die Arzneimittelreform aber so wachsweich ausgestaltet, dass ein nennenswerter Rückgang bei den Arzneimittelausgaben nicht zu erwarten ist.
Für die privaten Versicherer hat Rösler astreine Klientelpolitik umgesetzt - junge Besserverdienende können wieder schneller von den gesetzlichen Kassen zu den Privaten wechseln, zugleich werden die Privaten von den Rabattverhandlungen der Gesetzlichen profitieren.
Demontage des solidarisch finanzierten Gesundheitswesens
Wie bereits im Koalitionsvertrag angedroht, hat Rösler mit der Einführung eines einkommensunabhängigen Gesundheitsbeitrags, vulgo Kopfpauschale, die Demontage des solidarisch finanzierten Gesundheitswesens eingeläutet und die Arbeitgeber von der Last künftiger Beitragserhöhungen befreit; das ist Wirtschaftsliberalismus vom Feinsten. Nebenbei - den Solidarcharakter des Systems bewahren, ohne es ausbluten zu lassen, könnte man durch die Verschlankung des Leistungskatalogs, die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, die Hinzuziehung anderer Einkommensformen als nur dem Lohneinkommen; kurz durch eine Einheitsversicherung, zu der die privaten Krankenversicherer Zusatzleistungen anbieten.
Im Prinzip hat Doktor Rösler getan, was man von einem liberalen Gesundheitsminister erwarten durfte; es sind aber nur nicht die Wunder, die seine Kollegen von ihm erhofft haben. Vielleicht ergibt sich ja im nächsten Jahr die Gelegenheit dazu. Dann will er das ärztliche Honorarsystem reformieren.