Seoul. .

Vor Beginn des G-20-Gipfels in Seoul ist Bundeskanzlerin Merkel erneut auf Konfrontationskurs zu den USA gegangen: Eine Begrenzung von Exportüberschüssen sei weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen.

Unmittelbar vor dem Beginn des G-20-Gipfels in Seoul ist Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut auf Konfrontationskurs zu den USA gegangen und hat sich gegen eine Begrenzung von Exportüberschüssen ausgesprochen. Eine politische Feststellung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite sei weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen, sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag vor Wirtschaftsvertretern in Seoul. Der amerikanische Vorschlag sieht vor, eine Obergrenze für Überschüsse und Defizite von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts festzulegen.

Mit Blick auf das Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, das am Donnerstagabend (Ortszeit) beginnt, forderte Merkel auch von der Wirtschaft einen Bewusstseinswandel für die Schaffung und Sicherung langfristig ausgerichteten Wachstums.

Als nächste notwendige Schritte nannte Merkel laut Redemanuskript die „Stärkung der Kapitalanforderungen für Banken auf Basis der Vorschläge des Baseler Ausschusses“ (Basel III) sowie eine Beteiligung privater Gläubiger an den Restrukturierungskosten. Die Lasten der Krisenbewältigung dürften nicht einfach wieder dem Steuerzahlern aufgebürdet werden.

Signal für Doha-Verhandlungen

Vor den Wirtschaftsvertretern verwies die CDU-Politikerin auf die Erfolge bei der Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Gleichwohl gebe es noch keinen Grund, sich auszuruhen. Jetzt sei vor allem ein ausgewogenes, dauerhaftes Wachstum nötig. Merkel verwies dazu unter anderem auf die Verpflichtung, das Haushaltsdefizit bis 2013 zu halbieren, und die Einführung der Schuldenbremse in Deutschland.

Eine zentrale Rolle für die weltwirtschaftliche Erholung spiele natürlich die Belebung des internationalen Handels, sagte Merkel und betonte die Notwendigkeit offener Märkte und des Abbaus von Handelsbarrieren. Nachhaltiges Wachstum sei aber nicht zu erreichen, wenn nicht gleichzeitig auch die Themen Klimawandel und Verlust der Biodiversität einbezogen würden.

Harte Verhandlungen

Merkel war am Donnerstagmorgen (Ortszeit) in Seoul gelandet, wo sie bis Freitag am G-20-Gipfel teilnehmen wird. Im Vordergrund der Beratungen stehen die Währungspolitik und Handelsungleichgewichte. Vor dem Gipfelauftakt wollte Merkel zu Gesprächen mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak und Ministerpräsident Kim Hwang Sik zusammentreffen. Außerdem sollte ihr von der EWHA-Frauenuniversität in Seoul die Ehrendoktorwürde verliehen werden.

Den Teilnehmerstaaten stehen auf dem Gipfel harte Verhandlungen bevor. Ökonomen warnen vor den Gefahren einer Abwertungsspirale von Währungen und vor wachsendem Protektionismus, der eine Gefahr für den Welthandel darstelle. Die deutsche Wirtschaft gilt wegen ihrer Abhängigkeit von Exporten als besonders anfällig für Beschränkungen im Welthandel.

Die sogenannte Gruppe der 20 repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung, rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und 80 Prozent des Welthandels. Der Gruppe gehören die acht wichtigsten Industriestaaten USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland und Kanada an. Die G-20 wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern.

Frau versucht sich vor G-20-Kongresszentrum anzuzünden

Eine Frau hat am Donnerstag versucht, sich vor dem Tagungszentrum der G-20 in Seoul anzuzünden. Nach Angaben der Polizei überschüttete sie sich mit Farbverdünner und schrie: „Ich bin gegen die G-20!“ Sicherheitsleute konnten die Frau demnach überwältigen, bevor sie sich in Brand setzen konnte. Sie sei festgenommen worden und werde befragt. Die südkoreanischen Sicherheitskräfte sind in höchster Alarmbereitschaft, weil sich in der Hauptstadt zahlreiche Staats- und Regierungschefs aufhalten. (dapd)