Brüssel. .
Die Machtverhältnisse zwischen Europa und China werden neu austariert. Unter diesem Zeichen steht der EU-Asien-Gipfel, der am Montag in Brüssel begonnen hat. Bundeskanzlerin Merkel betonte die starke Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft.
China beansprucht beim Aufbau einer neuen Finanz- und Wirtschaftsarchitektur mehr Macht. In Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) „müssen die Repräsentation und die Stimme der Schwellenländer gestärkt werden“, sagte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao zum Auftakt des zweitägigen EU-Asien-Gipfels am Montag in Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte die gestärkte Rolle Asiens für die Weltwirtschaft. „Wir verdanken dem asiatischen Aufschwung eine günstige ökonomische Entwicklung“, stellte die Kanzlerin fest.
Auf dem ersten Gipfeltag einigten sich die 48 Staats- und Regierungschefs nach Angaben von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy darauf, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Kontinenten zu stärken. Alle Mitglieder würden Strukturreformen anpacken und zu hohe Defizite abbauen, erklärte Van Rompuy. Zudem hätten sich alle zu dem Ziel bekannt, Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte zu stärken.Merkel mahnte im Kreis der ASEM-Partner einen Krisenmechanismus für Banken an. Es dürfe nicht sein, dass eine Bank so groß sei, dass ihre Pleite den gesamten Finanzmarkt oder einzelne Staaten in Not bringe, sagte sie laut Diplomaten. Denn dadurch könnten Staaten erpressbar werden.
Internationale Steuer auf Devisengeschäfte
Auch die IWF-Reform wurde in Brüssel besprochen. Die EU war kurz vor dem Gipfel einen Schritt auf Asien zugegangen: Im Ringen um eine neue Balance im 24-köpfigen IWF-Direktorium, die aufstrebenden Mächten wie Indien und China gerechter wird, wollen die Europäer auf zwei ihrer neun Sitze verzichten. „Es ist wichtig, dass die Europäer Flexibilität und Verhandlungsbereitschaft zeigen“, lobte der südkoreanische Delegierte Changyong Rhee. Die Reform des IWF sei nicht nur symbolisch von großer Bedeutung. Eine konkrete Übereinkunft soll auf dem nächsten G-20-Treffen in November erzielt werden.
Der amtierende belgische Ministerpräsident und Gipfel-Gastgeber Yves Leterme warb in Brüssel für die Einführung einer globalen Wechselkurssteuer. Die Besteuerung internationaler Devisengeschäfte (Tobin-Steuer) könne 20 bis 35 Milliarden Dollar jährlich einbringen, sagte Leterme. „Das würde die Wirtschaft nicht stören, sondern könnte eine gute Antwort auf die Volatilität der Finanzmärkte sein.“
Europa und Asien haben Wirtschaftskrise gemeistert
Die Machbarkeit des Instrumentes sei erwiesen, nun fehle es nur noch am politischen Willen, sagte Leterme. „Dieser Gipfel wäre die ideale Gelegenheit, um ein starkes Signal an die Welt zu senden“. Ein Schulterschluss von Asien und Europa in der Frage wäre „ein beachtlicher Satz zu ihrer globalen Anerkennung“. Alle Initiativen für die Einführung der Tobin-Steuer scheiterten bislang am amerikanischen Widerstand.
„Asia-Europa-Meeting“
Ein solches Mammut-Treffen gibt es auch im gipfelerfahrenen Brüssel nicht alle Tage: Mehr als 40 Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, nehmen an der Serie von Spitzentreffen teil, die seit dem gestrigen Montag in der Europa-Hauptstadt stattfinden. Die Teilnehmer repräsentieren 60 Prozent der Weltbevölkerung und die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung. Den Auftakt macht die ASEM- (“Asia Europa Meeting”) Konferenz, zu der sich die EU seit 1996 alle zwei Jahre mit ihren asiatischen Partnerländern trifft. Gipfel mit China und Südkorea schließen sich an.
ASEM gehören die 27 Staaten der EU und 19 asiatische Länder an. Außerdem sind jetzt auch Russland, Australien und Neuseeland dabei, wenn auch vorerst nur als Mitglieder einer Sonder-Kategorie. ASEM selbst ist kein Entscheidungsgremium, soll aber die beiden wichtigsten internationalen Zusammenkünfte dieses Herbstes vorbereiten: das G-20-Treffen der führenden Wirtschaftsmächte am 11./12. November in Seoul und die Klima-Konferenz Anfang Dezember im mexikanischen Cancun.
Thematischer ASEM-Schwerpunkt ist die wirtschaftliche und finanzpolitische Zusammenarbeit nach der großen Krise, von der die asiatischen Länder durchweg weniger hart getroffen wurden als ihre europäischen Partner. Als Hauptzweck der Brüsseler Veranstaltung gilt indes die Gelegenheit zu bilateralen Treffen. Davon will auch die Kanzlerin regen Gebrauch machen und nach Angaben von Diplomaten unter anderem mit den Kollegen aus Japan und Thailand sowie der neuen australischen Ministerpräsidentin Julia Gillard zusammentreffen. (krp/WE)
Auch Merkel machte sich in Brüssel für mehr Kooperation zwischen beiden Kontinenten stark. „Wir haben die Wirtschaftskrise ganz wesentlich auch zwischen Europa und Asien gemeistert“, sagte sie. Nun hoffe sie auf „eine weiterführende Diskussionen zu einem nachhaltigen Wachstum und mehr Arbeitsplätzen“.
Rohstoff-Spekulation eindämmen
Deutschland und Frankreich wollen die weltweiten Spekulationsgeschäfte mit Rohstoffen und Währungen eindämmen. Auf dem Europa-Asien-Gipfel in Brüssel setzten sich nach Informationen aus Teilnehmerkreisen sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Montag für eine stärkere Regulierung in diesen Bereichen ein.
Vor allem Sarkozy, der 2011 für ein Jahr die G8- und G20-Präsidentschaft übernehmen wird, kritisierte demnach die Schwankungen der Rohstoffpreise als erschreckend hoch. Dadurch würden sowohl Industrie- als auch die Entwicklungsländer unter Druck gesetzt. Weil die Schwankungen etwa bei Öl und Getreide stark auf Spekulanten zurückzuführen seien, strebt Sarkozy eine stärkere Regulierung an, wie aus den Kreisen verlautete. Frankreich verfolge zudem das Ziel einer Welt-Finanzmarktordnung. Dem habe sich auch Merkel angeschlossen. Dabei solle vor allem ein reformierter Internationaler Währungsfonds (IWF) eine zentralere Rolle spielen, auch als Forum der Diskussion über künftige Gefahren für die Finanzmärkte.
Ausstieg aus Staatsverschuldung
Merkel mahnte den Teilnehmerkreisen zufolge ferner mit Blick auf das G20-Treffen in Seoul im November, dass sich die Weltgemeinschaft immer noch nicht auf eine gemeinsame Strategie zum Ausstieg aus der hohen Staatsverschuldung geeinigt habe. Es fehle zudem ein Verfahren, wie mit Krisenbanken umgegangen werde solle, die zu groß sind, um sie pleitegehen zu lassen.
Zum Auftakt des ASEM-Gipfels wurden Russland, Australien und Neuseeland als neue Mitglieder aufgenommen. Damit stieg die Zahl der Partner im Asia-Europe Meeting (ASEM) auf 48. Die vertretenen Länder stellen zusammen 60 Prozent der Weltbevölkerung und knapp 60 Prozent des Welthandels. Das letzte ASEM-Treffen fand vor zwei Jahren und damit auf dem Höhepunkt der Finanzkrise statt. (dapd/rtr)