Berlin. .
Die Debatte darüber, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sein Personal führt, kommt für ihn zur Unzeit. Nachdem sein Sprecher, Michael Offer, hingeworfen hat, kündigt die SPD „das Ende der Rücksichtnahme“ auf den kranken Minister an.
Joachim Poß sitzt in seinem Büro mit einem Gast, als er vom Rücktritt erfährt. Die spontane Reaktion des SPD-Politikers ist bemerkenswert. „Hat er eigentlich Kinder?“ Die Frage betraf Michael Offer, den Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Und ja, der Mann hat Kinder, und die Frage ist berechtigt: Offer wurde letzte Woche vor laufenden Kameras von seinem Chef abgebürstet. Das Video dazu ist auf vielen Internet-Portalen zu sehen. Man kann sich vorstellen, wie peinlich, wie unangenehm die Situation ist, persönlich wie eben auch familiär, wenn einer so öffentlich so bloßgestellt wird.
Schon kündigt die SPD „das Ende der Rücksichtnahme“ an. Auch in der Unions-Fraktion rümpft man die Nase. Offer ist dort kein Unbekannter. Der Beamte hat jahrelang für die Christdemokraten gearbeitet, zuletzt für Steffen Kampeter, Schäubles Staatssekretär.
Ein Schlaglicht
Die Episode wirft ein Schlaglicht auf den politischen Betrieb, auf den Umgang mit Mitarbeitern. Gut möglich ist zudem, dass die Demütigung auf den Minister zurückfällt. Gerade war der Mann aus dem Krankenhaus zurückgekommen und wollte seine politische Vitalität unter Beweis stellen. Nun stellt sich heraus, dass Schäuble wieder ganz der Alte ist; nur anders als gedacht.
Offer gab sein Amt auf, und im Polit-Milieu wird über die Personalführungskompetenz des Ministers geredet. Schon die Debatte darüber ist schädlich und kommt für ihn zur Unzeit.
„Reden Sie nicht!“
Die Episode liegt schon einige Tage zurück. Am Donnerstag wollte der Minister die neue Steuerschätzung vorstellen. Dazu sollten seine Mitarbeiter Materialien an die Journalisten verteilen. So war es verabredet. Als er den Raum betrat und die Unterlagen fehlten, fühlte sich Schäuble bestätigt. Er hätte darauf wetten können, dass es so kommen würde. Schäuble war gereizt, ließ keine Erklärung mehr gelten („Reden Sie nicht, sondern sorgen Sie dafür, dass die Zahlen jetzt verteilt werden!“) und führte Offer vor.
In der Politik ist man ständig im Stress, unter Druck; das erklärt manche Unbeherrschtheit. Bei Schäuble kommt hinzu, dass er schon immer ein harter Hund war. Wer mit ihm arbeitet, muss den rauen Ton aushalten können – und zurückblaffen. Schäuble kommt damit klar. Jedermanns Sache ist der Umgang trotzdem nicht.
Berüchtigte Ressortchefs
Es gab immer berüchtigte Ressortchefs, zum Beispiel Otto Schily und Wolfgang Clement. Aber der größtmögliche Unfall ist der Gesichtsverlust auf offener Bühne. Ministeriumsbeamte, Journalisten, Politiker – sie alle haben Offers Zurechtweisung im Internet verfolgt. Da dämmerte es Schäuble, dass er womöglich „überreagiert“ hatte. Am Montag hat Offer das Gespräch mit ihm gesucht. Dabei wurde ihm klar, dass er nicht dessen „volles Vertrauen“ habe. Daraufhin verfasste er eine Mail und bat darin, ihm eine neue Aufgabe im Finanzministerium zu geben. Eine Existenzfrage ist es nicht.
Für Schäuble zu sprechen, ist keine leichte Aufgabe. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gingen von ihm und Kanzlerin Angela Merkel unterschiedliche Signale aus. Ein paar Kontakte zu Journalisten pflegt Schäuble auf seine Art; da braucht er keinen Sprecher. Als in Berlin das Gerücht die Runde machte, Schäuble wolle zurücktreten, hielt Offer die Journalisten hin. Ihm selbst ging es nicht besser. Er wartete so lange, bis aus der Chefetage die erlösende SMS kam. Man ließ ihn zappeln.