Berlin. .
Die Bundesregierung verteidigte im Bundestag ihre Reformpläne zu Hartz IV. Arbeitsministerin von der Leyen sprach von einem „Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik“. Die Opposition ließ sich davon nicht beeindrucken und übte harsche Kritik.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die von ihr geplante Reform der Hartz-IV-Regelungen im Bundestag gegen heftige Kritik der Opposition verteidigt. Der Gesetzentwurf sei eine „große Chance“ und bedeute einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik, sagte von der Leyen am Freitag bei der ersten Lesung des Entwurfs. Das Bildungspaket schaffe erstmals die Möglichkeit, dass die Hilfe auch konkret bei den Institutionen ankomme, die Kinder von Hartz-IV-Empfängern unterstützten. Von der Leyen bekräftigte ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit der Opposition: „Die Tür ist offen, ich bin verhandlungsbereit.“
Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hatte in einem Urteil Anfang des Jahres eine transparentere Berechnung der Regelsätze und bessere Bildungsmöglichkeiten für Kinder von Hartz-IV-Empfängern gefordert. Der Gesetzentwurf sieht nun vor, den Regelsatz für alleinstehende Erwachsene von 359 auf 364 Euro zu erhöhen. Das zudem geplante Bildungspaket beinhaltet Leistungen für den Schulbedarf sowie finanzielle Unterstützung für die Mitgliedschaft in Vereinen, Musikunterricht oder ähnlichem. Auch werden die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger verbessert.
Mit „Mafia-Manier“ Transparenz verhindert
SPD, Grüne und Linke äußerten in der Debatte teils harsche Kritik an den Plänen von der Leyens. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sagte, der Gesetzentwurf sei „mehr Schein als Sein“. Die von der Bundesregierung errechneten Regelsätze seien „Regelsätze nach Kassenlage“, zudem passten die Kürzungen bei der Arbeitsförderung nicht zu dem Ziel, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Katja Kipping warf der Bundesregierung vor, bei der Neuberechnung der Regelsätze „in Mafia-Manier“ Transparenz verhindert zu haben.
Der Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn bekräftigte die Forderung der Opposition nach einem Spitzengespräch der Partei- und Fraktionschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dabei müsse vor allem über die Frage der Einführung eines Mindestlohns gesprochen werden. Die SPD-Abgeordnete Ferner sagte an die Adresse der Koalition, Gespräche ergäben nur Sinn, „wenn wir hier Signale bekommen, dass Sie sich auch bewegen.“ Merkel lehnt Gespräche mit den Oppositionsspitzen derzeit ab, nach Ansicht der Bundesregierung sollen die Fachpolitiker mit von der Leyen diskutieren.
Bundesrat entscheidet im Dezember
Rückendeckung erhielt die Arbeitsministerin von den Koalitionsfraktionen: Die Reform erfülle die Forderungen der Verfassungsrichter nach Transparenz und Sachlichkeit beim Festlegen der Regelsätze, erklärte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU). Mit den Investitionen von 700 Millionen Euro in das Bildungspaket allein in diesem Jahr trage die Koalition dazu bei, „die Kinder aus dem Teufelskreis der Sozialhilfe“ herauszuholen. Der FDP-Abgeordnete Pascal Kober sagte, Ziel der Koalition sei es, „den Menschen Brücken aus der Abhängigkeit der sozialen Systeme zu bauen“.
Nach der Verabschiedung im Parlament soll Mitte Dezember der Bundesrat über das Gesetz befinden. Wegen des Widerstands der Opposition könnte allerdings ein Vermittlungsverfahren nötig werden. (afp)