Berlin . .

Atompläne der Regierung sorgen für Eklat im Umweltausschuss. Koalition und Opposition beschimpfen sich lautstark und werfen sich gegenseitig vor parlamentarische Regeln zu verletzen.

Von einem Eklat ist die Rede, vom Skandal. Bei dem einen oder anderen im politischen Berlin entsteht an diesem Mittwoch der Eindruck, als setze gleich eine Schnappatmung ein. Anlass für die Empörung ist eine Sitzung des Umweltausschusses am Abend zuvor - zu den Atomplänen der Bundesregierung. Dort spielten sich chaotische Szenen ab: Es wurde gestritten, geschrien und um Anträge gezankt. Am Tag danach kämpfen Koalition und Opposition um die Deutungshoheit und werfen sich gegenseitig vor, die parlamentarischen Regeln aufs Gröbste verletzt zu haben.

Die Regierung will die Laufzeiten der Kernkraftwerke im Schnitt um zwölf Jahre verlängern. Am Donnerstag soll der Bundestag darüber abstimmen. Im Umweltausschuss kam das Thema am Dienstagabend auf den Tisch. Die Aussagen über die Vorkommnisse im Sitzungssaal gehen deutlich auseinander, nur so viel steht fest: Es ging hoch her, es war laut - und die Auseinandersetzung wurde mit Anträgen und Geschäftsordnungshinweisen ausgetragen.

„Nervlich sehr anstrengend“

Die Ausschussvorsitzende Eva Bulling-Schröter (Linke) ist am Tag danach noch mitgenommen. „Das war nervlich sehr anstrengend“, sagt sie, „es gab laute Streitereien von allen Seiten.“ Selbst per Mikrofon konnte sich die Linke-Politikerin zwischendurch nicht mehr verständlich machen: „Am Ende musste ich mich mit der Klingel durchsetzen.“

Die ganze Beratung habe „unter extremem Zeitdruck“ gestanden, sagt Bulling-Schröter. Eine inhaltliche Debatte war in der Ausschusssitzung nicht mehr vorgesehen, sondern lediglich eine Abstimmung über die Atompläne. Die Opposition kam jedoch mit einer Fülle von Geschäftsordnungsanträgen dazwischen. Bulling-Schröter wurde es irgendwann zu viel - sie rief sich Unterstützung vom „Geschäftsordnungsausschuss“ herbei.

„Wie in Zeiten außerparlamentarischer Opposition“

Die Union geißelt das Verhalten der Opposition als „skandalös“. SPD, Linke und Grüne hätten versucht, das Verfahren durch „unparlamentarisches“ und „rechtsmissbräuchliches“ Vorgehen zu torpedieren, wettert der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU): „Das hat mich erinnert an Zeiten der außerparlamentarischen Opposition.“ Insbesondere den Grünen gehe es „nicht um Inhalte, sondern nur um Klamauk“. Durch die Antragsflut hätten sie jede Sachdebatte verhindert. Solches Verhalten sei ein „Schaden für die politische Kultur“ in Deutschland. „Mit Geschäftsordnungstricks macht man keine Politik.“

Auch die umweltpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Marie-Luise Dött (CDU), ist empört. „Die Regeln der parlamentarischen Demokratie sind hier aufs Gröbste verletzt worden“, sagt sie. „Ich kam mir vor wie im Studentenparlament.“ Es habe „ständige Schreiereien in unerträglicher Lautstärke“ gegeben. Zum Schluss habe man die Abstimmung aber noch über die Bühne gebracht: „Wir haben ja die Mehrheit.“

Die Opposition fühlt sich untergebuttert

Die Minderheit hört das ungern. Die Opposition fühlt sich untergebuttert - und das Thema Atom lässt die Emotionen besonders hoch kochen. Der Parlamentarische SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagt, es gehe um die „vielleicht wichtigste Gesetzgebung in dieser Legislaturperiode“. Diese sei in der „chaotischen Sitzung“ aber nur unzureichend beraten worden. Die Regierung habe sich der inhaltlichen Debatte verweigert. Auch die Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin der Linken, Dagmar Enkelmann, wirft der Koalition vor, sie wolle das Atomgesetz mit „Tricks und Täuschungen“ durchdrücken.

Der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, ist fassungslos. So etwas habe er in seiner Zeit im Bundestag noch nicht erlebt. Die Koalition habe in der Ausschusssitzung Geschäftsordnungs- und Änderungsanträge ab einer bestimmten Zeit einfach nicht mehr angenommen und auch Fragen nicht zugelassen. Das sei eine „Ungeheuerlichkeit“. Das Parlament werde so zum „Abnickorgan“ gemacht. Die Koalition wolle die Abgeordneten zu einer Entscheidung zwingen, ohne dass wichtige Fragen geklärt seien.

Beck erklärt sich die Hetze der Regierung mit der Angst vor Abweichlern in den eigenen Reihen. In der Koalition wollten einige die Atompläne nicht mittragen, sagt er. Altmaier wiegelt ab, dies seien „weniger als eine Handvoll“ Parlamentarier. Die „überwältigende Mehrheit“ stehe hinter dem Vorhaben.

Die Opposition will versuchen, die Beratung im Plenum am Donnerstag noch zu stoppen - per Geschäftsordnungsantrag. Viel Aussicht auf Erfolg hat das jedoch nicht. Die Koalitionsfraktionen dürften den Vorstoß ablehnen. Sie haben ja die Mehrheit. (dapd)