Stockholm. .
Julian Assange ist das Gesicht von Wikileaks. Mit der neusten Veröffentlichung geheimer Dokumente aus dem Irak-Krieg bringt er sich wieder ins Gespräch.
Wenn Julian Assange spricht, wägt er jedes Wort genau ab. Das gilt besonders, wenn der Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks Informationen über sich selbst preisgeben soll. Nie ist sicher, woher er gerade kommt, woran er arbeitet. Sein Alter gibt Assange mit 39 an, das genaue Geburtsdatum behält der gebürtige Australier für sich. Rastlos reist er um die Welt, quartiert sich bei Bekannten und Helfern ein. Heute in Stockholm, morgen in Nairobi, übermorgen in London. „Wir stehen Organisationen gegenüber, die sich nicht an die Regeln halten“, sagt Assange, der als das Gesicht von Wikileaks gilt. „Wir stehen Geheimdiensten gegenüber.“
Ein gewisses Maß an Verschwörungstheorie ist Assange nicht zu verübeln. Die Veröffentlichung von fast 400.000 geheimen US-Dokumenten zum Irak-Krieg, in denen unter anderem der Tod hunderter Zivilisten an US-Checkpoints dokumentiert ist, ist nur der neueste Coup, mit dem Assange und seine Mitstreiter die US-Armee und Geheimdienste gegen sich aufbringen. Schon mit der Veröffentlichung zehntausender geheimer Dokumente zum Afghanistan-Einsatz hatte sich Wikileaks mächtige Feinde gemacht.
„Wir hoffen, dass wir einige dieser Angriffe auf die Wahrheit korrigieren können“
„Diese Veröffentlichung zeigt nur die Wahrheit“, sagte Assange am Wochenende in London zu den Irak-Dokumenten. In Zeiten des Krieges werde die Wahrheit bereits lange vor Beginn des Einsatzes bedroht. „Wir hoffen, dass wir einige dieser Angriffe auf die Wahrheit korrigieren können.“ Die Pressekonferenz zu den Irak-Dokumenten war einer der wenigen öffentlichen Auftritte der vergangenen Wochen des Mannes mit den hellblonden Haaren.
Im August war Assange in Schweden unter Vergewaltigungsverdacht geraten, seitdem war er kaum zu sehen. Er soll eine Frau vergewaltigt und eine weitere belästigt haben, weist aber alle Vorwürfe zurück. Ein Haftbefehl gegen ihn wurde inzwischen aufgehoben, die schwedische Justiz ermittelt aber weiter.
Nachdem die Vorwürfe laut geworden waren, hatte Assange zunächst von einem Komplott gesprochen. „Ich weiß nicht, wer sich dahinter verbirgt“, sagte er einer Zeitung. „Aber wir sind gewarnt worden, dass beispielsweise das Pentagon uns böse mitspielen könnte, um uns zu zerstören.“ Später sprach er aber von einem „persönlichen Rachefeldzug“ gegen ihn und vermutete, der Fall sei möglicherweise von der schwedischen Boulevardpresse insziniert worden.
Interne Streitigkeiten
Doch auch im Inneren des kleinen Zirkels der Wikileaks-Vertrauten herrscht offenbar ein tiefes Zerwürfnis. Ende September kündigte der unter dem Pseudonym Daniel Schmitt bekannte deutsche Wikileaks-Sprecher im Magazin „Spiegel“ seinen Rückzug aus dem Projekt an - offenbar wegen Differenzen mit Assange. „Da gibt es eine Menge Unmut, und einige werden wie ich aussteigen.“ In der Gruppe scheine „das Vertrauen verlorengegangen zu sein, dass wir an einem Strang ziehen“.
Assange hatte Wikileaks Ende 2006 mit einem Dutzend Mitstreiter gegründet: Computerspezialisten, Menschenrechtler, Journalisten. „Wir wollen drei Dinge“, sagte Assange vor einigen Wochen der Nachrichtenagentur zu AFP. „Die Presse befreien, Missstände aufdecken und Dokumente retten, die Geschichte machen.“
In seiner Kindheit zog Assange mit seiner Mutter ständig um, insgesamt soll er 37 Schulen besucht haben. Als Jugendlicher geriet der talentierte Hacker ins Visier der Justiz, angeblich soll er sich Ende der 80er Jahre auch in das Computersystem der US-Raumfahrtbehörde NASA eingeschlichen haben. Assange sagt, er habe in seinem Leben vor Wikileaks als Berater für Computersicherheit und als Journalist gearbeitet.
Wie auch bei den letzten Enthüllungen kritisierten die USA die Veröffentlichung der Irak-Dokumente scharf. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, es sei zu verurteilen, wenn das Leben von Soldaten und Zivilisten aus den USA und den Partnerländern gefährdet werde. Wikileaks macht sich also weiter mächtige Feinde. Grund genug wohl für Assange und seine Mitstreiter, sich von dunklen Mächten bedroht zu fühlen. (afp)