Straßburg. .

Zwei Jahre nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise gibt sich Europa eine neue Finanzaufsicht. Das Europaparlament machte am Mittwoch den Weg für neue Aufsichtsbehörden frei.

Die neuen Behörden sollen ab Januar 2011 ihre Arbeit aufnehmen. Insgesamt sind es drei, die die Banken, die Versicherungen und den Wertpapierhandel überwachen sollen. Die EU-Ämter wirken als Schiedsstelle, wenn sich nationale Aufsichtsbehörden streiten. Die Behörden können die Kommission auffordern, neue gesetzliche Verbotsmöglichkeiten vorzuschlagen. Jede Behörde wird zunächst 60 bis 70 Mitarbeiter haben.

Welche Lehren zieht die EU aus der Finanzkrise?


Als Frühwarnsystem gegen Finanzkrisen dient ab 2011 ein „Systemrisikorat“ (ESRB) in Frankfurt am Main. Er soll Alarm schlagen, wenn er die Stabilität des Finanzmarktes bedroht sieht, etwa durch eine Immobilienblase. Der Rat kann Empfehlungen aussprechen. Diese sind zwar rechtlich nicht bindend. Doch wenn sie nicht befolgt werden, kann der Risikorat seine Empfehlung öffentlich machen und auf diese Weise Druck ausüben. Dem Gremium aus Notenbankchefs und Experten steht bis Ende 2015 der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) vor. Derzeit ist dies der Franzose Jean-Claude Trichet.

Welche neuen Aufsichtsbehörden gibt es?


Die EU gibt sich erstmals drei echte Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und den Wertpapierhandel. Damit werden die bestehenden Ausschüsse der nationalen Aufseher deutlich aufgewertet. Die ESMA in Paris wacht künftig über den Börsenhandel, die EBA in London über die Banken und die EIOPA in Frankfurt am Main über die Versicherungen. Die EBA ist dafür zuständig, EU-weite Banken-Stresstests durchzuführen. Es steht noch nicht fest, wie oft diese vorgenommen werden sollen.

Welche Kompetenzen haben die Finanz-Wächter?


Das Europaparlament setzte gegen den Willen von Ländern wie Großbritannien und Deutschland ein Durchgriffsrecht der neuen Aufseher durch. Für nationale Fragen bleiben zwar Behörden wie die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig; in Krisenfällen oder bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten ist der Spruch der EU-Aufseher aber bindend.

Wie wird Spekulanten das Handwerk gelegt?


Die Börsenaufsicht ESMA soll nach Willen der EU-Kommission auch über zeitlich befristete Verbote hoch spekulativer Finanzprodukte wie ungedeckte Leerverkäufe entscheiden können. Zudem soll die ESMA die Ratingagenturen überwachen. Diesen Kompetenzen müssen die EU-Staaten und das Europaparlament noch gesondert zustimmen.

Wo sind die Grenzen der neuen Aufseher?


Kein Sagen haben die EU-Behörden, wenn die „Haushaltspflichten“ eines Mitgliedstaates betroffen sind. Das heißt: Die EU-Aufseher können nicht anordnen, dass ein Land eine Bank mit Steuermitteln rettet. Das setzte Großbritannien durch. (AFP/Reuters)