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Über Wessis und Ossis wollten sie streiten, über Solifonds und Stasi-Akten. Doch die Sendung „Menschen bei Maischberger“ dümpelt als bloße Erinnerungsrunde. Natürlich kamen auch die „Trotzdem-war-nicht-alles-schlecht-Sager“ zu Wort.
Wir sind ein Volk, zumindest auf dem Papier der Landkarten. Doch auch zwanzig Jahre nach der Deutschen Einheit ist noch immer nicht zusammengewachsen, was nach Ansicht vieler Menschen zusammengehört: „So wenig gemeinsame deutsche Identität gab es noch nie“, bemerkte Sandra Maischberger gleich zu Beginn ihrer Sendung. Kein Widerspruch.
Zu „Jammerossis gegen Klagewessis: Streit ohne Ende“ hatte die Moderatorin am Dienstagabend geladen und mit vermeintlich provokanten, aber letztlich erwartbaren Fragen die Schlagrichtung vorgegeben: Ist endlich genug Geld in den Osten geflossen? Müssen wir den Soli nicht langsam abschaffen? Sollten wir die Stasi-Akten nicht langsam schließen?
Die Themen sind nicht neu. Fast jeder Deutsche hat dazu eine Meinung, egal ob er aus Duisburg oder Potsdam stammt. Doch die Debatten darüber sind nicht nur leidig, werden sie doch alle Jahre wieder im Herbst von den politischen Talkshows der Republik hervorgekramt. Sie sind auch billig, weil sie die Bürger aufhetzen. Denn meistens werden dabei Ost- und Westdeutsche gegeneinander ausgespielt. Bei soviel „Gegen“, wer wundert sich da über ein fehlendes „Zusammen“. Wer ständig über „die da drüben“ schimpfen soll, spricht selten von „wir hier“.
Erinnerungen hätten spannend werden können
Von daher muss man Maischberger fast dankbar sein, dass sie während der Sendung völlig den Faden verlor und die Diskussion als eine bloße biografische Erinnerungsrunde vor sich hin dümpeln ließ. Da konnte die „Tagesschau“-Sprecherin Susanne Daubner erst darüber berichten, wie die Stasi sie als junge Radiomoderatorin anwerben wollte und später noch von ihre „Republikflucht“ erzählen. Da durfte der Berliner Landesvorsitzende der Linken, Klaus Lederer, erläutern, warum er als 14-Jähriger beschloss, Kommunist zu werden. Hätte spannend werden können, streifte aber nur kurz die Oberfläche und blieb somit beliebig.
Laff gewürzt wurde die Erzählrunde mit Geschichtsstunde durch den halbgaren Streit darüber, wie viel „Ostalgie“ denn nun erlaubt sei und ob die Insignien der DRR heute noch auf T-Shirts und Mützen gedruckt werden dürften. Dabei gerieten vor allem Peter Michael Diestel, immerhin letzter Innenminister der DDR, und der Historiker Hubertus Knabe aneinander. Allerdings weniger über die Frage, ob man die Vergangenheit nicht lieber ruhen und die Stasi-Akten für immer schließen sollte (Diestel) oder man nicht lieber statt über Urlaub und Mittagessen der DDR-Bürger über Gefängnisse und Verbrechen des Regimes reden sollte (Knabe). Nein, Hauptstreitpunkt war Knabes lässig über das Sofa gelegte Hand, die Diestel offenbar derart unangenehm war, dass er durch dieses Bild sein Geschäft „geschädigt“ sah. Mehrwert für den interessierten Zuschauer: gleich Null.
Auftritt der Jammerossis
Auftritt: Die im Titel der Sendung angekündigten Jammerossis. Vorgeführt wurden ausnahmslos Menschen jenseits der 60 in einer auf den Straßen Ostberlins eingefangenen Umfrage. Da waren sie wieder, die notorischen „Trotzdem-war-nicht-alles-schlecht-Sager“. Die unvermeidlichen Wendeverlierer und Kronzeugen für die Fehler der Einigung, die sich darüber beschwerten, dass die Arbeit heute unsicherer ist, die Rente auch und die Straße sowieso. Und überhaupt: So was hätte es früher nicht gegeben.
Zum Leben in der DDR oder wie man heute am besten mit ihrer Vergangenheit leben kann, gab es kaum etwas Erhellendes. Lediglich die Geschichte der ehemaligen DRR-Gefangenen Anne Klar zeichnete ein deutliches, wenn auch stark subjektives Bild des „Unrechtsstaats“. Wie Klar, 18 Monate wegen „Republikflucht“ im berüchtigten DDR-Frauengefängnis Hoheneck eingesperrt, mit brüchiger Stimme und Tränen in den Augen die Verhöre und Misshandlungen beschrieb, das rührte an. Und mit welcher Verachtung Klar die auf dem Tisch vor ihr ausgebreiteten DDR-Devotionalien mit ihren gekreuzten Hämmern und Zirkeln anstarrte, ließen ihre Worte begreifen: „Für mich ist das ein Horror, wenn ich so was sehen muss.“ Und ihre eindringliche Warnung vor zuviel Ostalgie: „Das Schlimme verblasst langsam und die Vergangenheit wird glorifiziert.“ Länger aufhalten konnte sich Maischberger an diesem interessanten Punkt leider nicht.
Solifonds wurde auch plattgetreten
Es fehlte ja noch was: Der Solifonds, der musste natürlich auch noch mal platt getreten werden, damit es auch der letzte Simpel versteht: Die Wessis werden arm, weil sie den Ossis soviel Geld überwiesen haben. Dafür blühen drüben nun die Landschaften und bei uns verdörren die Schrebergärten. Wer ein derart sensibles und komplexes Thema versucht in zwei Minuten abzukanzeln, handelt fahrlässig. Er provoziert geradezu einheitlich ablehnende Meinungen. Die lieferten dann Einspieler von genervten Wessis. Tenor: „So langsam reicht es ja wirklich mal.“
Maischberger hätte am Dienstagabend darüber sprechen können, was Deutschland trennt und verbindet. Sie und ihre weitgehend blassen Gäste hätten Antworten auf die Frage nach der gemeinsamen Identität suchen können. Allein, der Geist war schwach. So wurde ziellos in Biografien gebuddelt und wenig Spannendes zu Tage gefördert. So blieb es eine der vielen Runden, in denen die wichtigen Fragen zu kurz kamen. Passend dazu Susanne Daubners dürres Fazit zum Umgang mit der DDR: „Die Diktatur darf nicht vergessen und verharmlost werden.“ Kein Widerspruch, mehr aber auch nicht.