Wenn die Städte im Osten Abwanderung und Arbeitslosigkeit nicht tatenlos zusehen wollen, müssen sie investieren.Ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Partnerstadt Wolfen
Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft hat in den vergangenen Wochen kräftig am Solidarpakt gerüttelt. Sie will weniger Geld für die Städte in der ehemaligen DDR, mehr Geld für die Städte im Westen.
Was man wohl in Wolfen darüber denkt.
Wolfen ist Wittens Partnerstadt in Sachsen-Anhalt, 25 000 Einwohner groß, und Teil des Chemie-Industrie-Gebietes Bitterfeld-Wolfen. Natürlich hat Wolfen Schulden, aber gar nicht mal so viele. Knapp 14 Millionen Euro waren es zuletzt, das macht eine Verschuldung von 545 Euro pro Kopf. Zum Vergleich: Auf jedem Wittener lasten 800 Euro Schulden. Solche Zahlen sind Wasser auf die Mühlen von Hannelore Kraft.
Allerdings ist der Solidarpakt nicht für Schulden da. Es haben sich ja schon ostdeutsche Kommunen, die Fördermittel für das Stopfen von Haushaltslöchern verwendet haben, viel Prügel eingefangen. Das Geld soll für besondere Belastungen durch die Wiedervereinigung verwendet werden. Und da hat Wittens Partnerstadt reichlich zu tun.
Wolfen hatte ja nicht immer 25 000 Einwohner. 1991, ein Jahr nach der Wiedervereinigung, lebten in der Stadt noch 43 000 Menschen. Über 40 Prozent sind seither gegangen. "Wir sind die Stadt mit dem stärksten Bevölkerungsverlust in ganz Deutschland", sagt Ute Fronek von der Wolfener Stadtverwaltung. Es gehen vor allem die Jungen, die mit guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Seit 1991 ist der Altersdurchschnitt von Wolfens Bevölkerung um zwölf Jahre gestiegen, und es herrscht Fachkräftemangel in der Stadt.
Eine Stadt, die sich so dramatisch gewandelt hat wie Wolfen seit der Wiedervereinigung, muss umgebaut werden.
In Wolfen Nord, wo die großen Wohnblocks stehen, wurden zwischen 2000 und 2005 4000 Wohnungen zum Abriss freigegeben. Am Rand der alten Plattenbau-Siedlung hat die Stadt Bauland für Einfamilienhäuser erschlossen. "Wer bei uns bauen will, der kann das tun" sagt Ute Fronek.
Doch das ist nicht alles, was Wolfen getan hat, um Familien in der Stadt zu halten. Nach wie vor gibt es wie in DDR-Zeiten Betreuungsplätze für jedes Kind und seit 2001 hat Wolfen ein Spaßbad: Das "Woliday" mit Hallenbad, Saunalandschaft und 70-Meter-Rutsche.
Auf den Industriebrachen der alten Chemiebetriebe mussten die Wolfener Altlasten wegräumen und eine neue Infrastruktur aufbauen, um moderne Unternehmen ansiedeln zu können. Wie viele andere Städte leistete sich Wolfen ein Technologiezentrum, wo Firmen Oberflächenbeschichtungen oder Solartechnik entwickeln.
Trotzdem gelang es in den vergangenen Jahren nicht, den Rückgang an sozialversicherungspflichtigen Jobs zu stoppen. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 17 Prozent, und das ist in Sachsen-Anhalt Landesdurchschnitt.
Witten hat 10 Prozent.