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Knapp 20 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es sozusagen staatsbürgerliche Pflicht der Sender, an das historische Ereignis zu erinnern. Der MDR zeigt in einer aufwändigen, vierteiligen Dokumentation, wie DDR-Bürger die Wende erlebten.
Menschen, die trunken vor Freude auf der Berliner Mauer tanzen. Der erste Wartburg, der in der gleichen Nacht über die Grenze tuckert. Ein erbärmlicher Stasi-Chef Erich Mielke, der beteuert, doch alle zu lieben. Es gibt wohl keinen Deutschen über 40, dem diese Bilder vom Abend des 9. November 1989 und den Wochen danach nicht unlöschbar im Gedächtnis geblieben sind.
Die Zeit der Wende, sie war spannend. Nein, sie war dramatisch. Auch bei uns im Westen, wo sich manche überfordert fühlten, als innerhalb kurzer Zeit Hunderttausende rübermachten, weil sie der neugewonnenen Freiheit im Osten noch nicht trauen konnten. Oder endlich am BRD-Wohlstand teilhaben wollten. Knapp 20 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es sozusagen staatsbürgerliche Pflicht der Sender, an das historische Ereignis zu erinnern. Das Erste macht dies mit einer vierteiligen, aufwändigen Dokumentationsreihe. „Damals nach der DDR“ (21 Uhr, ARD) startet am heutigen Montag. Im ersten Teil mit dem Titel „Freiheit und Auflösung“ geht es um die Zeit nach dem Mauerfall bis Silvester 1989 – als nicht fest stand, ob der abgewirtschaftete Arbeiter- und Bauernstaat nicht doch einen dritten Weg gehen würde.
Was die MDR-Produktion so sehenswert macht, sind die Berichte der vielen Zeitzeugen, die schildern, wie sie die Wende erlebten. Da ist der junge NVA-Rekrut, der mit anderen Soldaten in der Beelitzer Kaserne, sorgfältig abgeschirmt vom Westfernsehen, den Mauerfall schlicht verpennte. Als am nächsten Tag die DDR-Generäle erhöhte Gefechtsbereitschaft anordneten, drohte ein Alptraum Wirklichkeit zu werden. Nämlich auf feiernde und nach Westen strebende Landsleute schießen zu müssen. Oder die Studentin, die endlich ihre große Liebe treffen konnte. Die wunderbare Konsumwelt sorgt zunächst für Verunsicherung. Erst als beide auf dem Kölner Dom stehen, fühlt sie sich im Westen angekommen.
Ein Elektronik-Händler aus dem damals grenznahen Lüchow-Dannenberg erzählt, wie er am Sonntag, 12. November, in seinen Laden eilte, um das Geschäft seines Lebens zu machen. Hunderte standen vor der Tür, um die 100 DM Begrüßungsgeld pro Kopf in Kassettenrekorder oder Fernseher umzusetzen. Profitiert hat auch Alwin Nachtweh. Er war der erste Mauerspecht, der Brocken des antifaschistischen Schutzwalls mit amtlicher Erlaubnis verkaufen durfte. Sie wurden ihm förmlich aus der Hand gerissen. Thilo Sarrazin, damals im Bundesfinanzministerium, kommt zu Wort. Er wundert sich darüber, dass drei Milliarden DM Begrüßungsgeld ausgezahlt wurden. Streng genommen hätten es nämlich nur 1,6 Milliarden DM sein dürfen.
Im Westen stieß die neue innerdeutsche Freiheit nicht nur auf Begeisterung. Turnhallen, Schulen und andere öffentliche Gebäude mussten geräumt werden, um die vielen Menschen unterzubringen. „Ossi go home“ stand auf manchen Transparenten. SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine forderte einen Aufnahmestopp.
Vor Weihnachten hob die DDR-Regierung den Visumzwang auf. Damit konnten die Übersiedler gefahrlos ihre Lieben besuchen, die „drüben“ geblieben waren. Das schönste Geschenk. Silvester wird am Brandenburger Tor gefeiert. Die Quadriga im Schein des Feuerwerks. Ein Wunder.