Stuttgart. .

Weil der Abriss des Hauptbahnhofs fortgesetzt wird, fehlt den Gegnern des Projektes die „Grundlage für ein ergebnisoffenes Gespräch“ mit den Trägern des umstrittenen Vorhabens. Man fühle sich verschaukelt.

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat seine Teilnahme an dem für Freitag (10. September) geplanten Spitzengespräch mit Bahn, Land und Stadt Stuttgart abgesagt. Der Sprecher des Bündnisses, Gangolf Stocker sagte, das von der Bevölkerung und dem Aktionsbündnis zu Recht erwartete Zeichen eines Abriss-Stopps sei ausgeblieben. Damit fehle für das Aktionsbündnis die Grundlage für ein ernst gemeintes, ergebnisoffenes Gespräch zwischen Projektpartnern und Gegnern von „Stuttgart 21“. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) reagierte auf die Absage mit „großem Bedauern“ und „Enttäuschung“.

Stocker sagte, man sei weiter bereit für ein Gespräch, wenn der Abriss ausgesetzt werde und klar gesagt werde, worüber eigentlich gesprochen werden sollte. Benannt würden von den Befürwortern lediglich Ausschlusskriterien. Das Bündnis wolle unter anderem über die Kosten des Gesamtprojekts „Stuttgart 21“ und der Neubaustrecke sowie über die Leistungsfähigkeitsanalyse und Wirtschaftlichkeitsberechnungen diskutieren.

Die Proteste gehen weiter

Mappus sagte, die Projektgegner hätten mit der Absage die ausgestreckte Hand der Projektträger ausgeschlagen. Grünen-Fraktionsvorsitzenden Winfried Kretschmann sei vereinbart gewesen, bei einer Gesprächsrunde auf jegliche Vorbedingungen zu verzichten. „Dass jetzt der sofortige Baustopp doch zur Bedingung erhoben wird, kann nur heißen, dass die Projektgegner an einem konstruktiven Dialog nicht interessiert sind“, sagte Mappus. Die neue Situation nach der Absage müsse nun im Kreis der Projektpartner besprochen werden. Das Gespächsangebot gelte aber weiter, betonte Mappus und appellierte an die Projektgegner, sich trotz der Absage einem konstruktiven Dialog nicht zu verweigern.

Grünen-Fraktionschef Kretschmann äußerte ebenfalls sein Bedauern über die Absage. Ohne die Teilnahme des Aktionsbündnisses habe das Spitzengespräch in der geplanten Form keinen Sinn. Er habe die Projektverantwortlichen davon zu überzeugen versucht, die Abrissarbeiten am Nordflügel bis zum Gespräch auszusetzen. „Ich bedaure sehr, dass mir das nicht gelungen ist. Es ist mir - ebenso wie dem Aktionsbündnis, den Protestierenden und den Gegnern von Stuttgart 21 - unverständlich und unbegreiflich, warum die Deutsche Bahn dieses Zeichen nicht setzen wollte“, sagte Kretschmann.

Anliegen wird ins Internet getragen

Indes beteiligten sich erneut mehrere Tausend Menschen an der allwöchentlichen Montagsdemonstration. Die Veranstalter sprachen von rund 15.000 Teilnehmern, die Polizei von 8.000. Am Vormittag hatten Aktivisten mit Traktoren den Eingang der Baustelle am Nordflügel blockiert. 90 Demonstranten, die sich vor den Eingang gesetzt und zum Teil angekettet hatten, mussten von der Polizei losgeschnitten und weggetragen werden. An der Demonstration am Abend nahm auch der Initiator des Volksentscheids zum Rauchverbot in Bayern, Sebastian Frankenberger (ÖDP), teil. Es sei wichtig, Solidarität zu zeigen, da das Projekt alle Bürger in Deutschland angehe, sagte Frankenberger. Er sei bereits mit Mitgliedern des Aktionsbündnisses der Gegner in Gespräch, um mit seinen Erfahrungen über die Verbreitung eines Anliegens über das Internet zu helfen. „Wir haben damals neben unseren Aktionen vor Ort eine große Internet-Community bei Facebook aufgebaut“, erläuterte Frankenberger. Er plane zudem, eine Demonstration in München zu organisieren. „In München gibt es auch einen Kopfbahnhof. Wir wollen auch darauf aufmerksam machen, dass uns Ähnliches drohen könnte“, sagte er. Einem neuen Volksentscheid in Baden-Württemberg gibt er indes keine Chance. „Die Hürden sind zu hoch. Da müssten erst die Voraussetzungen geändert werden“, sagte er.

Die Proteste gegen das umstrittene Bahnprojekt wurde am Montagabend auch von ausländischen Medien verfolgt. Ein Kamerateam des britischen Nachrichtensenders BBC will nach Angaben einer Korrespondentin am Freitag im Rahmen seiner Berichterstattung über das deutsche Sparpaket der deutschen Bundesregierung auch auf das Prestigeprojekt in Stuttgart und die Proteste dagegen eingehen.

Bei „Stuttgart 21“ wird der Hauptbahnhof vom oberirdischen Kopfbahnhof zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut. Die Arbeiten an dem Milliardenprojekt sollen sich bis 2019 hinziehen. Erst am Freitagabend demonstrierten in der baden-württembergischen Landeshauptstadt erneut Zehntausende Menschen gegen „Stuttgart 21“. (ap)