Stuttgart. .
Die wütenden Proteste gegen das Projekt „Stuttgart 21“ zeigen Wirkung: Bahnchef Grube will sich nun mit den Kritikern an einen Tisch setzen. Die Demonstranten zeigen sich unbeeindruckt: Sie wollen weiter machen.
Die Proteste gegen das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ haben offenbar erste Wirkung gezeigt. Bahnchef Rüdiger Grube erklärte sich am Samstag im SWR dazu bereit, sich mit den Kritikern des Milliardenprojekts an einen Tisch zu setzen. Als Bedingung forderten die Gegner aber, zumindest während der Gespräche die Bauarbeiten auszusetzen.
Am Freitagabend hatten nach Angaben der Polizei 30.000, nach Veranstalterangaben 50.000 Menschen trotz strömenden Regens friedlich gegen den Bau des neuen Bahnhofs protestiert. Dieser gilt zusammen mit der Schnellbahnanbindung an Ulm als das größte Infrastrukturprojekt Europas.
Grube räumt schlechte Kommunikation ein
Grube räumte ein, die Kommunikation rund um den Bau sei „sehr, sehr schlecht gelaufen“. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) habe vorgeschlagen, sich nun an einen Tisch zu setzen. Dazu sei er bereit. „Lasst uns an einen Tisch setzen, lasst uns weiterhin die Dinge austauschen, insbesondere die Fakten austauschen“, sagte Grube. Allerdings lehnte er Bedingungen für die Gespräche ab. Auch der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl führte die starken Proteste gegen Stuttgart 21 auf mangelnde Öffentlichkeitsarbeit zurück. Er sprach von einem „Kommunikations-GAU“.
Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen das Projekt, Axel Wieland, begrüßte das Angebot Grubes als positiv. Er schlug gegenüber der Nachrichtenagentur AFP vor, sich zunächst zu einem Gespräch zu treffen, bei dem dann auch der Modus für weitere Gespräche festgelegt werden könnte. Allerdings fordere das Bündnis, dass am Tag dieses ersten Gesprächs „auf jeden Fall“ die Bauarbeiten am alten Bahnhof ruhen. Auch bei weiteren Gesprächen sollten die Bauarbeiten ruhen. „Es kann nicht sein, dass man nett mit uns redet und die Bauarbeiten gehen weiter wie bisher“, sagte Wieland. Dies wäre nur „eine nette Ablenkungstaktik“ der Bahn.
Protest geht weiter
Die Bahnhofsgegner wollen ihre Proteste zunächst außerdem unvermindert fortsetzen. Am Montag soll die nächste Großdemonstration stattfinden, zu der laut Wieland etwa 10.000 Menschen erwartet werden. Am Samstag blieb es am bisherigen Hauptbahnhof ruhig. Laut Polizei protestierten etwa 50 Menschen. Auch die Abrissarbeiten ruhten, es seien lediglich Aufräumarbeiten vorgenommen worden.
In einem von der „Wirtschaftswoche“ veröffentlichten Brief an seine Mitarbeiter schrieb Grube, er sei „zutiefst davon überzeugt, dass Stuttgart 21 richtig ist“. Einen Abbruch der Bauarbeiten schloss er in dem Brief aus. Als Argument für den Bahnhof nannte Grube Umweltvorteile. Er sei überzeugt, dass „zahlreiche Flüge über Distanzen von 600 bis 700 Kilometern“ wegfielen, weil die Fahrtzeiten kürzer werden.
Der baden-württembergische Verfassungsschutz warf Parteien aus dem linksextremistischen Spektrum vor, den Protest gegen Stuttgart 21 zu instrumentalisieren. Der Vizepräsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Frank Dittrich, nannte die DKP, die marxistisch-leninistische MLPD und die Linke. Bisher würden die Proteste aber „noch immer bei Weitem durch das bürgerlich-demokratische Spektrum dominiert“.
Ehemaliger Bahnchef: Das Projekt kommt zu spät
Der ehemalige Bahnchef Johannes Ludewig kritisierte im Deutschlandradio Kultur, die baden-württembergische Landesregierung habe den richtigen Zeitpunkt für die Umsetzung des Projekts verpasst, Vor zehn Jahren sei eine Entscheidung über den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes aus Finanzierungsgründen am Stuttgarter Kabinett gescheitert, sagte er am Samstag im Deutschlandradio Kultur. „Damals gab es diese Proteste überhaupt nicht, damals waren die Leute eigentlich eher angetan davon“, fügte Ludewig hinzu.
Die Bahn will den Stuttgarter Bahnhof, der bisher ein Kopfbahnhof ist, unter die Erde verlegen und so zu einem Durchgangsbahnhof machen. Außerdem soll eine neue Trasse zum Flughafen und nach Ulm entstehen. Die Projektgegner kritisieren unter anderem, dass die Kosten für das Gesamtvorhaben statt der geplanten sieben Milliarden Euro auf bis zu elf Milliarden Euro steigen werden.
Die Befürworter des Projekts verweisen demgegenüber auf kürzere Reisezeiten, rund 4000 neue Arbeitsplätze und bis zu acht Milliarden Euro Folgeinvestitionen. Dazu zählen sie unter anderem, dass auf den rund hundert Hektar Gleisanlagen, die nun in bester innerstädtischer Lage abgerissen werden, neue Wohn- und Geschäftshäuser entstehen sollen. (afp)