Ruhrgebiet. .
Karstadt: gerettet! Nach dieser Nachricht knallen in der Essener Hauptverwaltung sogar unter den Kassentischen die Korken. Die Belegschaft feiert ihre „Erlösung“ nach langem Kampf.
Mit „Herbstgeschichten“ wirbt Karstadt diese Woche, doch diese eine ist nun endlich vorbei, bevor der Herbst richtig da ist. Und sie hat ein Happy End: „Was für ein glücklicher Tag!“, jubelt eine Mitarbeiterin, als sie in Essen anstoßen mit rosa Sekt: Kommen jetzt rosige Zeiten? Sogar unter den Kassentischen knallen Korken.
Der Druck entweicht am Mittag so hörbar wie der aus den Flaschen, „Erlösung“, sagt eine Frau und zeigt auf die Kollegen: „Nur noch strahlende Gesichter!“ In eine Karstadt-Kantine kam ein Kunde mit der guten Nachricht: „Sie dürfen weiter arbeiten!“ Aber lieber Mann, „wir dürfen, wir dürfen“! Sie haben schlecht geschlafen, die Karstädter in der letzten Nacht, viele ließen den Fernseher laufen; „ich bin so kaputt“, erzählen sie sich jetzt, „das kannst du dir nicht vorstellen!“ Als am Nachmittag der Insolvenzverwalter zum Firmensitz kommt, entlädt sich die Anspannung in Jubelschreien und Tränen der Erleichterung. Sie danken Klaus Hubert Görg mit stehendem Applaus und roten Schokoladenherzen, und Görg ist der, der am lautesten klatscht. Ein Triumphmarsch.
„Tolles Gefühl“, gesteht Görg, er sei „stolz“, denn „hier war nichts selbstverständlich“. Aber man habe es „geschafft, sich durchzufummeln“. Auch der Insolvenzverwalter sagt der Belegschaft Danke: „Es gibt so viele Spieler in diesem Wettstreit, der nicht nur ein Freundschaftsspiel war“, und dann macht er sich zum Teil der Menge: „Ich bin auch ein bisschen Karstädter geworden.“ Danke.Schön.Deutschland steht auf dem Plakat in seinem Rücken, so wird Karstadt ab Montag auch den Kunden danken.
„Die beste Nachricht, die wir seit über einem Jahr hier gehabt haben“, sagt Arno Leder, Betriebsratschef in der Essener Verwaltung. Denn bis zum Mittag waren ja die Gerüchte über die Flure gekrochen. „Sehr, sehr angespannt“ ist die Stimmung da noch, man kann sie auch in den Filialen greifen, diese unausgesprochene Frage zwischen den Ladentischen: „Weißt du was Neues?“ Man kann ja nichts machen, sagen sie an den Kassen, versuchen sich zu konzentrieren auf Einpacken, Kassieren, Lächeln. Abwarten, es wird schon gut gehen. Oder nicht?
Jahre der Angst
Als hätten sie nicht schon Jahre Angst haben müssen, immer wieder diese Panikschübe in den letzten Monaten und Wochen. „Alles nicht mehr zu glauben“, klagt eine Verkäuferin in einer Dortmunder Filiale, und ein Kollege zeigt seine Finger her: „Die Daumen sind schon ganz blau vom Drücken.“ In der Technik-Abteilung, die hier nur ist, weil Dortmund sein erstes Haus längst schließen musste, flimmern die Nachrichten über nagelneue Plasma-Fernseher: „Karstadt fast gerettet“, aber „fast“ haben sie schon zu lange. „Wir haben es einigermaßen geschafft“, sagt eine Angestellte in der Damen-Konfektion. Sie können es nicht glauben, und die blauen Flecken auf der Seele bleiben.
„Schäbig“ war es, sagt der langjährige Mitarbeiter einer Haushaltswaren-Abteilung, „und nervenaufreibend“. Sie haben ja nichts mehr tun können als warten. „Da konnte auch der Betriebsrat nichts machen.“ Jetzt aber könnten sie endlich „Urlaub“ machen, aber der Angestellte meint keine Ferien, er meint: durchatmen, entspannen, neu anfangen. „Wir haben Ideen.“ Aufhören will er nur damit, abzugeben, immer nur abzugeben: „Das haben wir jahrelang gemacht.“
Weshalb er findet, Manager, die solche Fehler machen, müssten „weg, alle weg, das würden sie mit uns auch machen“. Dabei sei es die Belegschaft gewesen, die die Kunden beruhigen musste: „Die haben doch nach Garantien gefragt.“ Ein Aspekt, den auch Betriebsrat Leder spannend findet: „Wie der Kunde Karstadt jetzt sieht.“ Davon wird viel abhängen, „es liegt an uns allen“. Aber endlich könne man nun „mal wieder über die Woche hinaus planen“.
Es kommt ein Mensch
Klaus Hubert Görg hat es schließlich gesagt: „Sie kriegen einen, der richtig voran machen kann.“ Und auch die Frauen, die am Nachmittag in der Kantine der Hauptverwaltung feiern, freuen sich auf den neuen Chef. „Wir sind froh, dass es Herr Berggruen ist. Das ist mal ein ganz anderer Manager.“ Oder vielleicht ist er gar keiner: „Das ist ein Mensch!“ Und „das ist mal was anderes“.
Er wird allerdings viel ändern müssen, murmelt ein Mitarbeiter, der im Hintergrund sein Sektglas zwischen den Fingern dreht. Im Glaskasten vor der Tür hängen ein paar interne Ausschreibungen. Gesucht wird, unter anderem, ein „Teamleiter Strategie und Entwicklung“.