Berlin. .

Kanzlerin Angela Merkel hat in der Debatte über Integration zur Besonnenheit aufgerufen. Sie kritisierte erneut die Thesen Thilo Sarrazins als „ausgrenzend und verletzend“. Und nimmt türkische Migranten in Schutz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu einer sachlichen Diskussion über die Integration von Zuwanderern in Deutschland aufgerufen. „Das Thema Integration ist eines der wichtigsten unserer Zeit“, sagte Merkel in einem Interview der türkischen Zeitung „Hürriyet“. Für Deutschland sei es eine Schlüsselaufgabe, die Zuwanderer aktiv in die Gesellschaft hineinzuholen. Sie sollten am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben können. „Aber in gleicher Weise erwarten wir natürlich dass sie das auch wollen und sich aktiv darum bemühen“, sagte Merkel. Das bedeute auch, Deutsch zu lernen und die deutschen Gesetze einzuhalten.

Merkel kritisierte erneut die Äußerungen von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin, wegen der die Notenbank seine Entlassung beantragt hat. Die Äußerungen wirkten ausgrenzend und verletzend. Das Thema Integration müsse sachlich diskutiert werden, und man dürfe nicht Abneigung und Widerwillen wecken, sagte die Kanzlerin.

Merkel: die meisten Türken gut integriert

Klaus Wowereit.
Klaus Wowereit. © ddp/Michael Gottschalk

Die meisten in Deutschland lebenden Türken hätten sich inzwischen sehr gut integriert. Trotzdem bleibe die Integration der türkischstämmigen Bevölkerung eine wichtige Aufgabe. Die Migranten müssten bereit sein, sich auf ein Leben in unserer Gesellschaft einzulassen und die gesamte Rechtsordnung vorbehaltlos zu akzeptieren. „Wir Deutschen benötigen Toleranz“, sagte Merkel.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), hat dagegen die heftige Auseinandersetzung mit den Äußerungen von Sarrazin als hysterisch kritisiert. Statt dessen bedürfe es einer seriösen Diskussion, „die Fortschritte und Probleme bei der Integration ohne Tabus benennt“, meinte Bosbach im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er fügte hinzu: „Ich rate dringend dazu, die offenkundige Besorgnis in der Bevölkerung ernst zu nehmen und darauf Antworten zu finden.“

Tatsache sei, dass es millionenfach gelungene Integration gebe, „aber auch zu viele Fälle von Integrationsverweigerung“. Der CDU-Politiker nannte das Beispiel verpflichtender Sprachkurse für Ausländer, die Sozialleistungen beziehen. „Fast ein Drittel derjenigen, die zu Sprachkursen verpflichtet wurden, damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigen, kommen nicht oder brechen den Kurs vorzeitig ab.“ Hier bestehe eine Bringschuld der Migranten, die man auch benennen müsse.

SPD-Politiker Wiefelspütz sieht „Mega-Thema“

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, sagte demselben Blatt, Integration sei „das Mega-Thema der nächsten Jahre“. Es müsse mit mehr Nachdruck vorangetrieben werden. Obwohl Deutschland besser als viele andere EU-Länder dastehe, sei das Machbare längst nicht erreicht, meinte Wiefelspütz. „Insbesondere der Bundesinnenminister ist zu passiv. Er muss das Thema Integration endlich an die Spitze seiner Agenda setzen.“

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte am Donnerstag der rbb-“Abendschau“ zum Thema Sarrazin, die Entwicklung tue ihm „eigentlich leid“. Sarrazin habe „Warnungen bekommen“, sowohl von der Landesschiedskommission der SPD als auch von der Bundesbank. „Ich verstehe ihn nicht mehr“, sagte Wowereit.

Sarrazin sei immer gut für Extreme gewesen. Aber dass er sich so verrenne in einer „unsäglichen Art“, mit Gen-Definitionen, Ausgrenzungen und Diffamierungen von Menschen, die in unserer Republik friedlich miteinander lebten, könne er nicht mehr nachvollziehen, sagte Wowereit. Er bekräftigte: „Es tut mir wirklich, wirklich leid um Thilo Sarrazin, mit dem ich gut zusammen gearbeitet habe, aber er hat sich da verrannt“. Man könne nur hoffen, dass Sarrazin „sich selbst aus dieser Ecke wieder herausbringt“.

Der Berliner SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf hat am Donnerstagabend ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin beschlossen. Der Kreisvorstand wirft dem 65-jährigen Berliner Ex-Finanzsenator parteischädigendes Verhalten vor. (apn/rtr)