Köln. .

Es ist schon eine Kunst, einen schlimmen Fehler einzugestehen, aber im Grunde dennoch kaum merklich von seiner Überzeugung abzurücken. Thilo Sarrazin ist dieser Spagat auf der Vermarktungstour für sein Buch bei „Hart aber fair“ nicht gelungen.

„Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen.“ Für diesen Satz im Interview mit der „Welt am Sonntag“ hatte der Autor Thilo Sarrazin öffentlich berechtigt Prügel bezogen. Wer so etwas sagt, ist entweder dumm oder ein Rassist. Da Sarrazin stets betont, kein Rassist zu sein, blieb ihm im Ersten als Ausweg nur die eigene Dummheit. Was für einen Autor, der über die drohende Verblödung des Landes auf Grund der Vermehrung von Einwanderern und bildungsferner Schichten schreibt, schon ein starkes Stück ist.

Dieser Satz war Unfug. Er war überflüssig. Meine eigene Dummheit. So entschuldigte sich Sarrazin am Mittwochabend in der TV-Sendung „Hart aber fair“. Ob dafür ein Gespräch des Kritisierten mit dem Bundesbank-Vorstand in Frankfurt wenige Stunden vor der Sendung notwendig war, mag möglich sein. Ist aber Spekulation. Dennoch: Sarrazin wirkte wie auf Bewährung. Diese Entschuldigung musste kommen. Wie er die Entstehung seines Satzes aus der Rassenlehre jedoch begründete, war hanebüchen. Zum einen habe er, der PR-Profi, der seit Jahren den gewieftesten Journalisten bei Gesprächen gegenüber sitzt, sich von der „Welt am Sonntag“ in eine Ecke drängen und aufs Glatteis führen lassen. Zum anderen sei es ein Fehler gewesen, als Beispiel für seine Thesen die Juden zu nennen. Bei unverdächtigen Ostfriesen oder Isländern wäre ja nichts passiert. Damit betonte Sarrazin, dass er weiterhin die Intelligenz als einen Faktor der Vererbung ansieht – also gar nichts Falsches gesagt, sondern sich nur dumm ausgedrückt habe. Am Weltbild Thilo Sarrazins, wie der ansonsten für eine Talk-Show ungewohnt ruhige Michel Friedmann im seltenen Anflug von Empörung richtig bemerkte, hat sich demnach nichts geändert.

Bilderbuch-Integration ist gelungen

Überhaupt verlief der Abend bis auf die kalkulierbaren Anzeichen von Emotionen der türkischstämmigen Journalistin Asli Sevindim, die nach eigener Aussage sogar Schnappatmung bekam, eher geordnet und ruhig. Als Kind türkischer Gastarbeiter ist ihr und ihren Geschwistern eine Bilderbuch-Integration gelungen. Sie durfte, ja musste sauer darüber sein, dass ein Mann wie Sarrazin daherkommt und den Muslimen in Deutschland im Allgemeinen genau diese Fähigkeit abspricht. Das war es aber auch schon. Den Einspieler, der bekannte Probleme in Duisburg-Marxloh und Köln-Mülheim zeigte, dass Türken 30 Jahre hier leben und kaum Deutsch sprechen, sich Parallelgesellschaften bilden, ließ sie unkommentiert. Ebenso verpasste sie die Chance, den Satz einer Anruferin einzuordnen, die von türkischen Freunden erzählte, die sich ebenfalls wunderten, warum sich so viele ihrer Landsleute nicht in Deutschland integrieren wollten. In diesem Zusammenhang wurde die Frage aufgeworfen, ob es die Political Correctness in diesem Land verbiete, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Mehr Kitaplätze für Migrantenkinder

Dass die Politik es bis in die 80er Jahre versäumt hat, die Gastarbeiter nicht in die Zukunft Deutschlands einzuplanen, sondern sie nur als vorübergehende Konjunkturstützen zu sehen und sie in Ghettos unterzubringen, ist bekannt. Wer sonst als das soziale Gewissen der SPD, Rudolf Dressler, konnte diesen Fehler also zugeben. Wohltuend bei aller Vorhersehbarkeit waren jedoch die Bemühungen um Konstruktivität: Dressler nannte das Beispiel des Einwanderungslandes Israel. Wer dort nicht binnen sechs Monaten nach Einreise nachweisen kann, Hebräisch zu lernen, erhält keine staatliche Unterstützung bei der Integration. Allein eine konkrete Forderung für ähnliche Gebote in Deutschland ließ er unausgesprochen. Dafür rief Michel Friedmann nach mehr verpflichtenden Kitaplätzen für Migrantenkinder. Als sie merkten, dass sie damit genau auf der Linie Sarrazins argumentierten, der in seinem Buch stärkere Sanktionen und verpflichtende Bildung für eine bessere Integration vorschlägt, schlugen sie dem Autoren seine pseudowissenschaftliche Argumentation und Brandstifter-Methoden um die Ohren.

Thilo Sarrazin bei der Präsentation seines neuen Buches.
Thilo Sarrazin bei der Präsentation seines neuen Buches. © imago stock&people

Anstatt näher auf seine zum Teil gar nicht unvernünftigen Ideen einzugehen, führte Sarrazin zu seiner Verteidigung allen Ernstes den Begriff der Satire ein. Seine Modellrechnungen, die Deutschland in 120 Jahren zu drei Vierteln von Muslimen beherrscht sehen und auf denen seine Argumentation größtenteils fußt, wollte er tatsächlich satirisch verstanden wissen. Unfassbar. Und Frank Plasberg, sonst nie um eine Provokation verlegen, ließ diesen Elfmeter unverwandelt. Aber: Der Glaubwürdigkeit Sarrazins hat dieser Humor-Ausflug wohl endgültig den Rest gegeben.

So blieb unterm Strich die Einigkeit der Runde, dass Migranten die deutsche Sprache können und die Rechtsordnung des Landes akzeptieren müssen sowie die Erkenntnis, dass einige von ihnen das nicht tun und die Politik nun endlich etwas dagegen machen müsse. Na dann, schön, dass wir drüber gesprochen haben.

Ach ja, Arnulf Baring war auch da.