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Rechtsextreme ködern im Internet Jugendliche. Sie missbrauchen soziale Netzwerke und Videos für ihre Propaganda. Und die Gefahr wächst weiter: Noch nie war die Zahl rechtsradikaler Webseiten in Deutschland so hoch wie jetzt.

Rechtsradikale sind im Internet auf dem Vormarsch. Sie werben in sozialen Netzwerken wie StudiVZ und Facebook um neue Mitglieder. Sie laden Hetzvideos auf das Portal Youtube oder verkaufen in Online-Läden verbotene Bücher, Bilder und Musik.

„Das Internet ist für den Rechtsradikalismus heute die Propagandaplattform Nummer eins“, heißt es im Bericht von Jugendschutz.net, einer gemeinsamen Initiative der Bundesländer, die rechtsradikale Aktivitäten im Internet überwacht. Demnach gab es noch nie so viele deutschsprachige Webseiten mit rechtsextremem Gedankengut. „Die Propaganda ist nicht so offensichtlich wie früher“, sagt Thomas Günter von Jugendschutz.net. Auch Polizei und Verfassungsschutz warnen seit langem: Rechtsradikale tarnen sich heute besser, verzichten auf Hakenkreuze und Hitlergruß. Trotzdem – und gerade deswegen – bleibe die Gefahr: „Neonazis werden immer aktiver im Netz.“

Sie geben sich bunt statt braun

Mehrere tausend rechtsextreme Beiträge in Foren und sozialen Netzwerken sowie 1870 Webseiten aus der rechten Szene zählte Jugendschutz.net im Jahr 2009. Letztere wachsen seit Jahren stetig: Vor fünf Jahren waren es noch 1033 deutsche Webseiten, allein im vergangenen Jahr stieg ihre Zahl um zehn Prozent. Das Internet wächst weiter und damit auch die Möglichkeit für Neonazis, ihre Propaganda zu verbreiten. „Da tummeln sich so viele Leute.

Die potenzielle Nutzerschar für die Rechten ist riesig“, sagt Günter. Besonders rechtsextreme Kameradschaften setzen im Internet auf moderne und jugendaffine Darstellungen. Knallige Farben statt brauner Symbolik: „Sie holen Jugendliche direkt in deren Lebenswirklichkeit ab, kommen über unverdächtige Themen wie Hartz-IV oder Umweltschutz“, sagt Günter: „Viele merken erst spät, in welchen trüben Gewässern sie sich da gerade bewegen.“ Oft wird die Propaganda geschickt getarnt, dann aber erschreckend deutlich: Neustes Einfalltor der Neonazis seien Kinderlieder, deren Texte Gewalt verherrlichen oder zum Mord an Juden und Schwarzen aufrufen.

Viele Seiten sind legal

Auch rechte Parteien wie die NPD fischen im Netz verstärkt nach neuen Mitgliedern: Waren im Vorjahr noch 190 Webseiten aus dem Umfeld der NPD online, sind es aktuell bereits 242 Auftritte. Fremdenfeindliche Comic finden sich hier ebenso wie die neue „Schulhof-CD“, die Mitglieder gezielt an Schüler verteilen und sie so mit rechtsradikaler Musik bespielen.

Doch auch wenn Neonazis oft aus dem Verborgenen heraus agieren, ein rechtsfreier Raum ist auch das Internet nicht. Die überwiegende Mehrheit der Seiten (67 Prozent) laufen über Server in Deutschland, fallen daher auch unter deutsches Recht. Das Problem dabei ist nur: „Ein großer Teil der Websites ist nicht unzulässig“, sagt Thomas Günter von Jugendschutz.net. Lediglich 18 Prozent der Angebote sind verboten. In diesen Fällen konnten die Jugendschützer vier von fünf Seiten sperren lassen. Die meisten fliegen aber knapp unter dem Radar der Legalität: „Vieles ist unterschwellig. Erst bei den Argumenten wird klar: Die Ausländer sind an allem Schuld“, sagt Thomas Günter.

Hier helfen keine Rechtsmittel, sondern Aufklärung und Zivilcourage: „Soziale Verantwortung sollte auch die Netzgemeinde übernehmen“, forderte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Zudem müssten Jugendliche gezielter über rechte Propaganda im Netz aufgeklärt werden.